Saturday, 18th May 2024
18 Mai 2024

Tuchels Team schlägt Liverpool: Paris wächst, Klopp meckert und bangt

„Ich erwarte auch keine Hilfe vom Schiedsrichter – ich erwarte nur, dass er die Dinge beruhigt“: Jürgen Klopp.

Von Hendrik Buchheister, Paris


Mit dem Sieg gegen den FC Liverpool hat Paris Saint-Germain das Aus in der Champions League verhindert. Ein Erweckungserlebnis für Thomas Tuchels Klub? Jürgen Klopp klagt über den Schiedsrichter – und steckt in einer verzwickten Lage.

Die Spieler des FC Liverpool waren in der Kabine verschwunden, sie hatten schon begonnen, die dritte Niederlage im dritten Auswärtsspiel in dieser Saison in der Champions League zu verarbeiten, als bei Paris Saint-Germain immer noch gefeiert wurde. Wie übermütige Kinder hüpften die Fußballprofis um Kylian Mbappé, Neymar, Edinson Cavani und den italienischen Torhüter-Routinier Gianluigi Buffon vor der Fankurve auf und ab. Auf den Rängen rauchten und blinkten bengalische Feuer, der Vorsänger der Ultras brüllte noch mit dem gleichen Elan wie zu Beginn der Partie seine Kommandos, aus den Lautsprechern des Prinzenparks dröhnte elektronischer Funk. Es war ein wilder Mix aus optischen und akustischen Reizen, mit denen eine Erweckung gefeiert wurde, wenn man das richtig verstanden hat.

Schöne Grüße an den FC Bayern: Juan Bernat, das ist der Mann in der Mitte, feiert sein Tor mit Kylian Mbappé und Neymar.

Es ging schon auf Mitternacht zu, als Trainer Thomas Tuchel im dunklen Rollkragen-Pullover im Mediensaal des Stadions saß und die Bedeutung des Abends hervorhob. "Es war die letzte Möglichkeit, zu zeigen, dass wir kämpfen können", sagte er und sprach von "einer neuen Atmosphäre und einem neuen Gefühl". Dieser 28. November 2018 werde als "großer Schritt vorwärts" in die Historie des Klubs eingehen. Durch den 2:1-Erfolg gegen den Finalisten der vergangenen Saison dank der Tore von Juan Bernat und Neymar in der ersten Halbzeit hat Paris nicht nur das Aus in der Champions League verhindert, sondern vielleicht auch die Basis gelegt für größere Erfolge im internationalen Geschäft. Diese Deutung legten die Feierbilder nach Abpfiff und Tuchels Worte nahe.

Der von Katar aus kontrollierte Klub ist der französischen Liga längst entwachsen, der sechste Meistertitel in sieben Jahren in dieser Saison scheint nur Formsache zu sein. Was wirklich zählt, ist die Champions League. Nachdem Paris vier Mal nacheinander im Viertelfinale ausgeschieden war und in den vergangenen beiden Spielzeiten sogar schon im Achtelfinale scheiterte, war der Sieg gegen Liverpool ein Zeichen dafür, dass die Mannschaft gereift ist und es in dieser Saison ernst meint im Europapokal. Angetrieben wurde sie von den Superstars Kylian Mbappé und Neymar, die dem Klub zusammen angeblich mehr als 350 Millionen Euro wert waren, sie ließen die Defensive des Gegners vor allem in der ersten Halbzeit teilweise aussehen wie eine Schüler-Auswahl. Doch der Erfolg war mehr als das Werk zweier Einzelkönner, er war das Ergebnis einer Teamleistung. "Die Mannschaft hat wirklich hart gearbeitet. Die Einstellung war außergewöhnlich. Jeder hat dem anderen geholfen", sagte Tuchel. Das ist in Paris schon etwas Besonderes.

"Wir brauchen Anfield wieder"

Ein Aus in der Vorrunde wäre eine Blamage für das katarische Prestigeprojekt gewesen und hätte Tuchels Job schon in seiner ersten Saison in Frage gestellt. Nach dem Sieg hat Paris den Einzug ins Achtelfinale im finalen Gruppenspiel bei Roter Stern Belgrad selbst in der Hand. Für Liverpool dagegen hat sich die Lage eingetrübt durch die dritte Niederlage im dritten Auswärtsspiel. Die Mannschaft von Trainer Jürgen Klopp braucht zum Abschluss der Vorrunde gegen den SSC Neapel vor eigenem Publikum einen Sieg, sonst ist für den Finalisten der abgelaufenen Saison frühzeitig Schluss. Klopp beschwört sicherheitshalber schon einmal den Mythos des eigenen Stadions. "Wir brauchen Anfield wieder. Wir müssen eine besondere Atmosphäre schaffen", sagte er nach der Niederlage im Prinzenpark.

Das spezielle Europapokal-Flair in der heimischen Spielstätte könnte gegen Neapel helfen, wichtiger wird allerdings sein, dass sich Klopps Mannschaft steigert, vor allem in der Offensive. Während Liverpool in der abgelaufenen Saison mit 47 Treffern einen Rekord für die meisten Tore in einer Champions-League-Kampagne aufstellte, hakt es in dieser Spielzeit im Angriff. In Paris war von der potenziell so furiosen Sturmreihe aus Sadio Mané, Roberto Firmino und Mohamed Salah wenig bis nichts zu sehen. Außer dem Elfmeter, den James Milner kurz vor der Pause zum Anschluss verwandelte, hatte Liverpool keine echte Chance.

Anstatt sich kritisch mit der Harmlosigkeit seiner Mannschaft zu beschäftigen, setzte sich Klopp allerdings lieber mit Schiedsrichter Szymon Marciniak auseinander. Dieser hätte seiner Meinung nach härter gegen die vermeintlichen Schauspielereien der Pariser Profis vorgehen und darüber hinaus einen Platzverweis gegen Marco Verratti nach einem Foul gegen Joe Gomez aussprechen müssen. "Ich will nicht sagen, dass Paris den Sieg nicht verdient hätte. Ich erwarte auch keine Hilfe vom Schiedsrichter – ich erwarte nur, dass er die Dinge beruhigt", tadelte Klopp.

Für Tuchel handelte es sich bei den Kommentaren des Kollegen um ein gezieltes Manöver. "Wenn ich ein großes Spiel verliere, rede ich auch über andere Dinge, um die Aufmerksamkeit von meinem Team weg zu lenken", sagte der Pariser Trainer. Seine Mannschaft hatte an diesem Abend nicht nur das Spiel gewonnen. Er machte auch im Duell der deutschen Übungsleiter die bessere Figur.

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