Tuesday, 19th March 2024
19 März 2024

Arztbesuch: Drei Gründe, warum Patienten ihren Arzt belügen

Ausgerechnet beim Thema Gesundheit nehmen es viele Menschen mit der Wahrheit offenbar nicht ganz so genau. In einer US-Studie gab die Mehrheit der befragten Patienten an, ihren Arzt schon mindestens einmal belogen zu haben. Warum eigentlich?

Laut einer US-Studien haben 60-80 Prozent der befragten Patienten mindestens schon einmal ihren Arzt belogen. Deutsche Mediziner wundert das nicht.

Hand aufs Herz: Wer hat im Behandlungszimmer seines Arztes noch nie geflunkert? Ein kleines Detail lieber für sich behalten oder verschwiegen, dass Antibiotikum doch nicht wie besprochen eingenommen zu haben. Im Fachblatt „Jama Network Open“ haben US-Wissenschaftler jetzt eine Erhebung veröffentlicht, nach der 60 bis 80 Prozent der befragten Patienten zugaben, ihren Arzt schon mindestens einmal angelogen zu haben. Warum nehmen es kranke Mensche ausgerechnet beim Arzt mit der Wahrheit nicht ganz so ernst? Für Stefan Wilm, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Düsseldorf, ist das gar nicht die entscheidende Frage. „Warum sollte man sich beim Arzt anders verhalten als im übrigen Leben?“, hält der Mediziner dagegen. Er sieht das Grundübel nicht unbedingt beim Patienten, sondern bei den eigenen Kollegen. 

Tricksen Ärzte Patienten bei der Befragung aus?

Wilm findet es vielmehr erstaunlich, dass „wir beim Arzt wie bei der katholischen Beichte die Wahrheit sagen sollen.“ Dies anzunehmen, offenbare eher eine bevormundete Haltung von Ärzten. So sei Medizinstudenten bis vor einiger Zeit beigebracht worden, sie müssten Patienten besonders raffiniert befragen, um von ihnen die Wahrheit zu erfahren. Wilms These: „Ist ein Arzt in der Lage, vertrauensvoll, offen und empathisch zu kommunizieren, gibt es dafür keinen Grund“. Das sieht auch Claudia Spies so. Die Chefärztin der anästhesiologischen Klinik an der Charité Berlin appelliert an ihre Kollegen in weiß: „Wir müssen Patienten als Partner ernst nehmen und respektieren.“ Dazu gehöre auch, dass Patienten selbst entscheiden können, welche Informationen sie teilen und welche nicht.

Warum lügen wir Menschen an, die uns helfen sollen?

Doch zurück zur besagten US-Studie. Die offenbart nämlich auch die drei häufigsten Gründe, warum wir ausgerechnet die Menschen anlügen, die sich um unsere Gesundheit kümmern sollen. Zum einen haben wir Angst davor belehrt zu werden. Beispielsweise bei Fragen nach Suchtmitteln wie Alkohol oder Nikotin. Die Gründe zwei und drei: Wir schämen uns oder wir sind mit der ärztlichen Empfehlung nicht einverstanden. So verschwiegen Patienten, die innerhalb der Studie unter Leitung von Andrea Gurmankin Levy vom Middlesex Community College in Middletown/Ohio befragt wurden, zum Beispiel, dass sie Nahrungsergänzungsmittel konsumieren. Auch bei ihren Sport- und Ernährungsgewohnheiten nahmen sie es demnach häufig nicht so genau. Wilm wundert das nicht: „Jeder will sich möglichst positiv darstellen und in den durch Social Media geprägten Zeiten gut bewertet werden.“ 

Lässt sich die US-Studie auf Deutschland übertragen?

Die Deutschen sind Weltmeister darin, zum Arzt zu gehen. Je nach Statistik liegt die Zahl der Arztbesuche zwischen zehn und 18 pro Jahr und damit deutlich höher als in Nachbarländern wie der Schweiz oder Belgien. Der Vorsitzende des Bremer Hausarztverbandes, Hans-Michael Mühlenfeld, glaubt, dass den Behandlungszimmern in Deutschland weniger gelogen wird. Aus einem einfachen Grund: „Wir haben hier ein auf den Hausarzt zentrierte Beziehung, die oft länger besteht als eine Ehe“, sagt Mühlenfeld. Seine Theorie: „Je enger die Beziehung zum eigenen Arzt ist, desto weniger wird geflunkert.“ Die Ehrlichkeit der Patienten hänge vom Vertrauen ab, das zum Arzt besteht, glaubt der Hausarzt. 

„Suchen Sie sich einen neuen“

Für Patienten, die ihrem Hausarzt nicht mehr vertrauen oder das Gefühl haben, er nimmt sich nicht genug Zeit für sie, hat Stefan Wilm einen simplen Rat. „Suchen Sie sich einen neuen.“ In Zeiten, in denen insbesondere in den ländlichen Regionen immer mehr Hausarztpraxen schließen, ist das allerdings um Einiges leichter gesagt, als getan. 

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