Saturday, 18th May 2024
18 Mai 2024

Er meinte es gut mit den Profis: Huub Stevens, mehr Sympath als Knurrer

iZurück im Parkstadion: Huub Stevens und Manager Rudi Assauer feiern am 22. Mai 1997 den Gewinn des Uefa-Pokals.

Von Ben Redelings


Mit dem FC Schalke 04 gewinnt Huub Stevens 1997 den Uefa-Pokal. Beim dramatischen Finale in Mailand kommt’s zum Elfmeterschießen, das Königsblau dank eines Ticks ihres Trainers für sich entscheidet. Heute feiert er seinen 65. Geburtstag.

Ich gebe zu, ich hatte gewisse Sorgen. Was hatte man mir nicht für Geschichten über ihn erzählt? Mittlerweile spukte in meinem Kopf eine Mischung aus Klaus Kinski am Filmset von "Fitzcarraldo" und Michael Douglas in der Burgerbude in "Falling Down" herum. Immer wieder fragte ich mich: Konnte er denn wirklich so schrecklich sein? Ich blickte angespannt um die Ecke, aber da lugte Gott sei Dank erst einmal nur Ansgar Brinkmann hervor. Er sollte an diesem Abend mein zweiter Gast bei der lit.Cologne sein. Ich umarmte Ansgar – und blickte in das Gesicht von Huub Stevens. Er schritt durch die Tür und war nur noch wenige Meter hinter dem weißen Brasilianer. Ich drehte Ansgar um und er ging direkt auf Stevens zu: "Trainer, hätte ich dich damals als Coach gehabt, ich hätte 100 Länderspiele gemacht!"

Von Wegen Knurrer: Die Herren Stevens, Redelings und Brinkmann in Köln.

Der Knurrer von Kerkrade, wie ihn die Journalisten gerne nannten, obwohl er in seinem Leben nie in Kerkrade gewohnt hat, strahlte. Ansgar hatte das Eis gebrochen. Es wurde ein wunderschöner Abend mit einem sympathischen, aufgeweckten und vor allem entspannten Menschen. Wenn mir heute jemand von seiner unheilvollen Begegnung mit dem ehemaligen Bundesligatrainer Stevens erzählt, schüttele ich nur mit dem Kopf und erwidere: "Kann ich leider nix zu sagen. Aber ich hatte ja auch den weißen Brasilianer dabei!"

Wie Huub Stevens den Fußball sieht, hat er in dieser tiefgründigen Sequenz erklärt: "Das erste Spiel ist immer das schwierigste. Im Nachhinein ist das andere wieder das schwierigste. Das erste Spiel war auch schwierig, und das einunddreißigste ist auch wieder schwierig und so wird das letzte Spiel auch schwierig sein. Aber bei mir liegt der Druck auch auf dem ersten Spiel." Das hat Herbergersche Züge ("Das nächste Spiel ist immer das schwerste"), geht aber noch weiter, weil Stevens’ Sätze eine Saison als Ganzes betrachten: Das nächste Spiel ist zwar immer das schwerste – aber erst am Ende wissen wir, welche Partien in einer Spielzeit tatsächlich die entscheidenden waren.

"Der meint es gut mit dir"

Eines dieser wichtigen Spiele in Stevens’ Karriere war das Uefa-Cup-Finale im Jahr 1997, in dem der Niederländer mit dem FC Schalke 04 in Mailand den Pokal gewann – nach Elfmeterschießen. Niemand, der am Fernsehapparat die Partie gegen Inter verfolgt hat, wird je vergessen, was Stevens nach dem entscheidenden Strafstoß von Marc Wilmots tat. Während ganz Schalke ausrastete und auf den Rasen stürmte, machte der Trainer einen Ausfallschritt nach vorne, hielt inne und schraubte, offensichtlich mit einer Seelenruhe, seinen Stift zu.

"Ich habe geweint, als er gegangen ist": Gerald Asamoah.

Stevens hatte sich während dieser dramatischen Minuten wie gewohnt Notizen über die Elfmeterschützen gemacht. Und wer denkt, dass Jens Lehmanns Zettel bei der WM 2006 im Viertelfinale gegen Argentinien der erste war, den er vor einem Elfmeterschießen zugesteckt bekommen hat, der kennt Stevens schlecht. In seiner Biografie "Niemals aufgeben" erzählt der Niederländer: "In meinem Computer fanden sich Daten über alle Elfmeter, die ich seit meiner Zeit als Jugendkoordinator bei der PSV erfasst habe. Das war zunächst ein Hobby von mir, aber es uferte so sehr aus, dass ich irgendwann die Datenbestände an den Softwarehersteller SAP verkauft habe. Ich habe wirklich jahrelang Elfmeternotizen gemacht, jetzt bin ich froh, dass ich damit aufgehört habe."

Mit welcher Akribie der Trainer Stevens vorging, hat auch einmal sein Spieler Gerald Asamoah erzählt: "Ich lag mal im Krankenhaus, war gerade operiert worden. Er hat kurz gefragt, wie es mir geht – und dann hat er mir sämtliche Fehler der Hinrunde aufgezählt. Aber ich habe geweint, als er gegangen ist, denn ich habe gemerkt: Der meint es gut mit dir."

"Die Deutschen haben keinen Humor"

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In seiner langen Karriere als Spieler von Fortuna Sittard und dem PSV Eindhoven und als Trainer von Vereinen wie dem 1. FC Köln, dem Hamburger SV und dem VfB Stuttgart hat Stevens seine Spieler ("Ich werde bei den Trainingsspielen nicht selber mitmachen. Schließlich will ich nicht noch mehr Verletzte haben"), aber auch die Journalisten nie geschont. Zu einem Boulevard-Reporter sagte er einmal: "Ich will nur hoffen, dass Sie mir nicht mal vors Auto laufen, dann könnte ich vielleicht mal aufs falsche Pedal treten." Laut Stevens verstand der Journalist die witzig gemeinte Spitze. Zum Glück. Denn ein anderes Mal meinte der Niederländer: "Die Deutschen haben keinen Humor. Deswegen finden sie schnell etwas lustig!"

Einen echten Freund fürs Leben hat er in Rudi Assauer gefunden. Stevens war einer der wenigen, der die Laster des Schalker Managers ertrug: "Bei ihm im Büro zu sitzen, ist kein Vergnügen.
Was der wegqualmt." Die Erinnerung an gemeinsame Autofahrten lassen Stevens schmunzeln. Der Manager habe seine Zigarren gepafft und deutsche Schlager gesungen, erzählte er an jenem Abend bei der lit.Cologne. Und wer ihn liebevoll über den an Alzheimer erkrankten Assauer hat reden hören, der weiß: Es mag die Seite des harten Hundes an Stevens geben, aber die andere Seite ist die eines äußerst sympathischen Menschen. Alles Gute zum Geburtstag, lieber Huub Stevens!

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