Monday, 29th April 2024
29 April 2024

Burgstaller zaubert gegen „Gala“: Schalke berauscht sich an CL-Intelligenz

Nach vier Minuten schießt Guido Burgstaller seine Schalker äußerst sehenswert in Führung.

Von Arnulf Beckmann, Gelsenkirchen


Der FC Schalke 04 kann Champions League: Der Fußball-Bundesligist bleibt auch im vierten Gruppenspiel gegen Galatasaray ungeschlagen. Weil Tedescos Taktik sticht, werden die euphorischen Gästefans plötzlich still.

Vor dem Anpfiff hatten sich die beiden so richtig lieb. Domenico Tedesco und Fatih Terim herzten sich, sie umarmten sich und sie redeten bei der Begrüßung viel miteinander. Sollte Tedesco mit seinem fast doppelt so alten Gegenüber über das anstehende Champion-League-Match gesprochen haben, so hat der Schalker Coach offensichtlich eine Nebelkerze gezündet. Denn am Ende eines stimmungsvollen Abends hatte sein Klub die Auseinandersetzung gegen Terims Galatasaray Istanbul nach Toren von Guido Burgstaller (4.) und Mark Uth (57.) nicht nur hochverdient mit 2:0 gewonnen, sondern zudem auch  den besseren Plan gehabt. "Wir sind heute sehr zufrieden mit dem Sieg", sagte Tedesco in der anschließenden Journalistenrunde. "Ich glaube, meine Mannschaft hat das heute sehr intelligent gespielt."

Sie haben sich lieb.

Das ist das Understatement, das man von dem 33-jährigen Fußballlehrer kennt. Man kann es aber auch so formulieren: Tedesco, der Jungfuchs, hatte dem alten und so viel erfahreneren Terim seine Grenzen aufgezeigt, weil er sich den Gegner taktisch perfekt zurechtgelegt hatte. Der Trainer der Königsblauen hatte zuvor einen Riesenrespekt vor dem türkischen Rekordmeister. Auswärts, so sagte er, sei das Team noch stärker, weil es weniger emotionalisiert auftrete und deshalb viel klarer in seinen Aktionen sei. Nach dem Spiel, das wohl das Beste der Gelsenkirchener in dieser Saison war, klang Tedesco ein wenig stolz, auch wenn er die Teamleistung in den Vordergrund stellte. "Es tut richtig gut, wenn die Jungs ihre Tore machen und sich für ihre tägliche Arbeit belohnen."

Burgstaller erhält für Traumtor kein Sonderlob

Eines muss man den Schalkern lassen: Champions League können sie. Auch ohne die Verletzten Hamza Mendyl, Bastian Oczipka und Kapitän Ralf Fährmann wollte Tedesco "anknüpfen an das Hannover-Spiel", also deutlich erfolgreicher als im Hinspiel in Istanbul, als seine Elf gleich ein Füllhorn an Großchancen ungenutzt hatte verstreichen ließ und mit einem ärgerlichen Unentschieden heimfuhr. Zudem präsentierte sich der junge Trainer ungewohnt mutig: Für Nabil Bentaleb und Suat Serdar rutschten Sebastian Rudy und überraschend Guido Burgstaller in die Anfangsformation. Die so oft angesprochene Belastungssteuerung durch Rotation fiel übersichtlich aus, stattdessen befahl Tedesco sein Team mit gleich drei Stürmern mutig in die Offensive. Das war der Schlüssel zum Spiel.

Schon die erste Offensivaktion nutzte der nimmermüde österreichische Angreifer zu seinem ersten Tor in der Champions League und zum 1:0 für Königsblau (4.), zudem der schnellste Schalker Treffer in dieser Saison. Und was für einer. Der überragende Burgstaller, der später noch das 2:0 clever vorbereitete, profitierte von einem Ausflug des gegnerischen Keepers Muslera, dem er den Ball klaute und aus spitzem Winkel aus rund 20 Metern verwandelt. Ein Sonderlob verteilte Tedesco dennoch nicht. "Burgstaller hat gut gespielt, aber alle anderen auch."

Schalke berauscht sich am eigenen Spiel

Für die Gäste, deren 10.000 Fans zuvor dem Knappen-Anhang die akustische Hoheit in der mit 54.740 Besuchern ausverkauften Arena streitig machten, war das ein herber Dämpfer. Offiziell waren nur 2900 der begehrten Einlasskarten an die Gäste aus Istanbul vergeben worden. Zahlreiche Galatasaray-Fans hatten sich allerdings anderweitig mit Tickets versorgt und bevölkerten die Stadt schon in den Mittagsstunden. Dass sie die Gelsenkirchener Innenstadt durch massiven Einsatz von Pyrotechnik in Nebelschwaden gehüllt hatten, wie ein Video bei Twitter nahelegt, stimmt der "WAZ" zufolge allerdings nicht. Im Stadion war nach Burgstallers Treffer von der Euphorie plötzlich nichts mehr zu spüren.

Erstaunlich war, dass die Blau-Weißen nach dem frühen Führungstor mutig blieben und – man staune – auch ideenreich spielten. Das Risiko war ungewöhnlich hoch, und natürlich eröffnete das dem Gegner Chancen, um zum Ausgleich zu kommen, auch weil Armin Harit (21. und 27.) und Burgstaller (38.) gute bis beste Chancen ausließen und Sebastian Rudy mit einem Fernschuss nur den Pfosten traf (38.). Der Gegner kam dem Gelsenkirchener Tor aber nur dann nah, wenn Schalke, berauscht vom eigenen Spiel, mal nachlässig wurde. "Ich denke aber, dass wir in den wichtigen Räumen Zugriff hatten und nur wenig zugelassen haben", so Tedesco.

Erlöst waren die Hausherren erst, als Mark Uth, der zurückgezogen hinter den Sturmspitzen stark aufspielte, nach Vorarbeit von Caligiuri und eben Burgstaller auf 2:0 stellte (57.), wobei Embolo im Abseits stehend dem Keeper die Sicht versperrte. Just in jener Phase als Galatasaray den Druck verstärkte. Danach machte Tedesco das Mittelfeld mit der Hereinnahme von Weston McKennie und Nabil Bentaleb massiv. Der Gast, zuvor schon vier Mal in Folge ohne Sieg, reagierte zunehmend genervt, Blau-Weiß hingegen spielte sich mit den qualitativ hochwertigeren Pässen immer wieder Konterchanen heraus. "Das sah taktisch richtig gut aus", konstatierte auch Manager Christian Heidel, der sich über den Gala-Auftritt seiner Spieler nicht wunderte. "Wenn das Selbstbewusstsein zurück ist, dann gelingen viele Dinge leichter."

"Einen Scheiß-Start hingelegt"

Tedescos Wahrheit sieht ebenso simpel aus. "Wir haben nur eines der letzten neun Pflichtspiele verloren", sagt er und erklärt damit die Krise vom Saisonbeginn fürs Erste als beendet. Die Gelsenkirchener werden im Europacup überwintern, und um sicher ins Achtelfinale einzuziehen, fehlt noch ein Sieg aus den beiden noch ausstehenden Begegnungen in Porto (28.11.) und daheim gegen Moskau (11.12.). Allein der Blick auf das Alltagsgeschäft verfinstert den königsblauen Himmel noch ein wenig: Die fünf Ligapleiten zu Beginn der Saison bleiben eine schwere Hypothek. "Wir haben einen Scheiß-Start hingelegt, darüber müssen wir nicht diskutieren", so Heidel.

Schon am Wochenende wartet die nächste Prüfung für Tedescos blau-weißes Ensemble. Beim späten sonntäglichen Bundesligaspiel (18 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) als Gast von Eintracht Frankfurt, derzeit sieben Punkte vor den Gelsenkirchenern, stellt sich die Frage erneut: Aufschwung oder Stagnation? Nur wenn die Schalker auch dort punkten, kehrt der Glaube zurück, dass sie auch wieder Bundesliga können. "Aber", sagt Burgstaller, "das wird ein ekeliges Spiel."

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