Wednesday, 15th May 2024
15 Mai 2024

Der Absturz der Königlichen: Real, was hat dich bloß so ruiniert?

Am Boden – auf diesem ist Real Madrid hart aufgeschlagen.

Von Constantin Eckner


Nach der Entlassung von Julen Lopetegui trauern sie bei Real Madrid ihren Erfolgsgaranten Zinédine Zidane und Cristiano Ronaldo hinterher. Denn um die Fußballer der Königlichen ist es schlecht bestellt: Weil die Defensive passiv und die Offensive planlos agiert.

In der Champions League gastiert Real Madrid an diesem Abend (21 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) beim tschechischen Meister Viktoria Pilsen. Ein Spiel, in dem die "Königlichen" derzeit eigentlich nur verlieren können. Denn ein Sieg gegen den haushohen Underdog ist nichts Besonderes. Eine Niederlage wäre jedoch ein Debakel für die sowieso schon angeschlagenen Spanier. Das Hinspiel gewann Madrid knapp mit 2:1. Es war die vorletzte Partie in der Amtszeit von Julen Lopetegui, bevor der 52-Jährige nach schwachen Leistungen und einem neunten Tabellenplatz in der Liga entlassen wurde. Aktuell ist es also schlecht bestellt um Real Madrid, das gerade offensiv einfallslos wirkt und sich an einer kompakten Defensive, wie sie Pilsen aufs Feld führen könnte, schlimmstenfalls die Zähne ausbeißt. Das Unheil für Madrid begann im vergangenen Sommer, als zwei Schlüsselfiguren die spanische Hauptstadt verließen.

Sie gingen als es am Schönsten war: Ronaldo und Zidane.

Bei Trennungen gibt es fast immer Gewinner und Verlierer. Die eine Seite beendet die Beziehung und stürzt sich alsbald in eine neue Liebschaft. Das Leben geht problemlos weiter, während die andere Seite noch lange unter der Trennung leidet. Und zu allem Überfluss entpuppt sich der Neue als große Enttäuschung. So in etwa muss sich Real dieser Tage fühlen. Der stolze Verein aus der spanischen Hauptstadt verlor im Sommer nicht nur Cheftrainer Zinédine Zidane, sondern auch Megastar Cristiano Ronaldo. Plötzlich standen die Madrilenen ohne zwei ihrer wichtigsten Stützen da. Ronaldo versuchten sie erst gar nicht zu ersetzen. Und der Nachfolger Zidanes wurde bereits wieder vor die Tür gesetzt.

Lopetegui pokerte hoch

Eigentlich sollte Lopetegui in Windeseile den Abgang von Zidane, unter dem Madrid drei Champions-League-Titel in Folge gewann, vergessen machen. Dafür hinterging Lopetegui sogar seine vorherige Partnerin, die spanische Nationalmannschaft, die ihn ob des Betrugs noch vor der Weltmeisterschaft rauswarf. Spanien selbst erlebte ein miserables Sommerturnier unter Fernando Hierro, der in letzter Minute einsprang. Lopetegui ging also ein großes Risiko ein. Seine Reputation wäre auch ohne die Niederlagen der letzten Wochen in Mitleidenschaft gezogen. Doch nach enttäuschenden Auftritten, einem schmalen Punktekonto und der 1:5-Schmach im "El Clásico" gegen den FC Barcelona trennte sich Madrid erwartungsgemäß vom 52-jährigen Trainer.

Dass dieser schon seit einigen Partien auf Bewährung coachte und fast jeder seine baldige Beurlaubung erwartete, zeigt das Dilemma, in welchem sich die Madrilenen befinden. Einerseits markierten die Abgänge von Ronaldo und Zidane den Anfang eines notwendigen Umbruchs, welcher sich angesichts des fortgeschrittenen Alters einiger Schlüsselakteure auch in den nächsten Jahren noch fortsetzen sollte. Andererseits gibt sich in Madrid niemand mit siebten Tabellenplätzen und Clásico-Klatschen zufrieden.

Defensiv zu passiv, offensiv katastrophal

So spielte Real Madrid beim 2:0-Sieg gegen Real Valladolid am vergangenen Samstag.

Spielerisch liegt bei der Mannschaft seit Längerem Einiges im Argen. Nur wurden die taktischen Schwächen unter Zidane noch einigermaßen kaschiert – vor allem durch die individuelle Klasse in allen Mannschaftsteilen und die Autorität des Trainers in der Kabine. Doch mittlerweile – und ohne Ronaldo – sind diese Mängel nicht mehr zu übersehen. Das unterstrich gerade das 1:5 in Barcelona.

Trotz des deutlichen Endergebnisses spielte Madrid in der Defensive recht passabel. Problematisch war allenfalls, dass Lopeteguis Spieler etwas zu statisch verteidigten und keine nennenswerten Versuche unternommen, Barça mit Angriffspressing unter Bedrängnis zu bringen. Stattdessen verharrten sie in einem kompakten 4-5-1 und verschoben nur in Richtung des Balles. Aufgrund dieser Passivität gab es keine Entlastungsangriffe und Barcelona kam unweigerlich vor das Tor von Madrid.

Beim 0:2-Rückstand zur Halbzeitpause erhöhte Lopetegui das Risiko und verdeutlichte, dass Madrid auch aggressiv gegen den Ball arbeiten kann. Jedoch ergaben sich gelegentlich Unterzahlsituationen, weil Barça-Trainer Ernesto Valverde zunehmend die linke Seite des Gegners attackierte – und das mit Erfolg.

Der Neue muss das Potenzial ausschöpfen

Trotzdem war der Defensivauftritt nicht übermäßig schwach. Nur hätte die Mannschaft unter Zidane in solch einem Top-Spiel vermutlich für mehr Gefahr bei Kontern gesorgt. Spielerisch war Real Madrid unter der Ägide des einstigen Weltklasse-Zehners vor allem für derartige Partien geschaffen und holte gerade deshalb drei Titel in der Champions League.

In gewöhnlichen Ligaspielen an einem lauwarmen Samstagnachmittag fehlte es Madrid oftmals am passenden Konzept bei eigenem Ballbesitz. Die Angreifer drifteten wild und ohne Plan umher. Durchdachte Spielzüge gab es nur selten. Das setzt sich bis heute fort und ist die Achillesferse. Genau hier muss der nächste Cheftrainer ansetzen. Aktuell hat diese Rolle der ehemalige Mittelfeldspieler der Madrilenen, Santiago Solari, interimsweise inne. Der 42-jährige Argentinier möchte sich für eine feste Stelle empfehlen.

Allerdings gelangen ihm bei seinem ersten Härtetest im Heimspiel gegen Real Valladolid am vergangenen Samstag keine merklichen Verbesserungen. Das Ballbesitzspiel wirkte weiterhin planlos und die Angriffe wie Stückwerk. Die Offensive um Gareth Bale spielte fast schon abgeschnitten vom Rest der Mannschaft und war zumeist in klarer Unterzahl gegen Valladolids enge Verteidigung. Es brauchte schon ein kurioses Eigentor in der 83. Minute, um Madrid auf die Siegerstraße zu bringen. Angesichts der hochklassigen Kreativabteilung um Toni Kroos und Luka Modrić ist das kein akzeptabler Zustand.

Eventuell geben die Verantwortlichen Solari ein paar Wochen, um sein Glück zu versuchen und die Glanzmomente der letzten Jahre zurückzuholen. Zidane ahnte wohl schon, dass es nicht immer so weitergehen könnte und beendete auch deshalb etwas überraschend im letzten Sommer die Beziehung. Der Franzose ließ Real Madrid im Regen stehen – und dort steht es noch immer.

By:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert