Friday, 17th May 2024
17 Mai 2024

Liverpools Remis in Nordlondon: Arsenal mausert sich, Rückschlag für Klopp

Neulich in Nordlondon: Mesut Özil und Jürgen Klopp.

Von Hendrik Buchheister, Manchester


Mit dem Unentschieden gegen den FC Liverpool beweist der FC Arsenal, dass der Umbruch nach dem Abschied von Arsène Wenger schneller vorangeht als erwartet. Für Jürgen Klopp bietet die Partie mehrfach Grund zum Ärger.

Die vierte Minute der Nachspielzeit war fast vorbei, als Liverpools Trainer Jürgen Klopp dem neuen FC Arsenal, dem Nach-Wenger-Arsenal, seinen Respekt erwies. Er wechselte aus, für Torjäger Mohamed Salah kam ein zusätzlicher Verteidiger, der ehemalige Schalker Joel Matip. Es war das Signal, dass die Gäste aus Merseyside nichts mehr riskieren wollten bei der Dienstreise in den Norden Londons, sondern nur noch danach trachteten, das 1:1 ins Ziel zu bringen, was ihnen dann auch gelang. Kurz nach Klopps Sicherheitswechsel war das Spiel vorbei, die Fans beider Mannschaften applaudierten als Tribut für einen Premier-League-Abend im Schleudergang.

Unentschieden halt: Jürgen Klopp.

Trotz des Unentschiedens und der achtbaren Leistung beider Seiten ging Arsenal eher als Sieger aus diesem spektakulären Fußballspiel hervor. Die Mannschaft bewies, dass sie auf einem guten Weg ist unter ihrem neuen Trainer Unai Emery, der zu dieser Saison den mehr als zwei Jahrzehnte lang amtierenden Arsène Wenger abgelöst hatte. Wengers Verdienste sind unbestritten, er hat dem Klub drei Meistertitel gebracht, in der Saison 2003/2004 sogar ohne Niederlage und Arsenal zum Synonym für hochwertigen Artisten-Fußball gemacht. Doch die finalen Jahre seines Wirkens waren gekennzeichnet von sportlichem Verfall, Resignation, Lethargie und einer Spaltung des Umfelds in Wenger-Befürworter und Wenger-Gegner.

Emery hat den Klub vereint, die Fans reiben sich nicht mehr auf in Debatten für oder gegen den Mann auf Trainerbank, sondern investieren ihre Kraft in die Unterstützung der Mannschaft, und er hat Arsenal schneller als erwartet wieder konkurrenzfähig gemacht. Die Mannschaft ist – nach dem schweren Saisonstart mit Niederlagen gegen Meister Manchester City und den FC Chelsea – seit 14 Pflichtspielen ungeschlagen und zeigte mit dem Remis gegen Liverpool, dass sie auch gegen hochklassige Gegner bestehen kann. Dass der Umbruch noch lange nicht abgeschlossen ist, steht allerdings außer Frage für Emery, der am Spieltag seinen 47. Geburtstag feierte. "Fortschritt braucht Zeit, viel Zeit. Im Fußball ist es immer schwer, nach Zeit zu verlangen – aber wir brauchen sie", sagte er.

Hackentrick von Mchitarjan, Steilpass von Özil

Dennoch zeigte seine Mannschaft viele Dinge, die ihn zuversichtlich stimmen dürften. Arsenal war das schnellere, das leidenschaftlichere Team und ließ immer wieder auch spielerische Klasse aufblitzen, mit einem Hackentrick von Henrich Mchitarjan hier oder einem hübschen Steilpass von Mesut Özil da. Nach einer Unsicherheit des deutschen Torhüters Bernd Leno, der auch viele gute Szenen hatte, ging Liverpool in der 61. Minute durch James Milner in Führung, doch anstatt wie so oft unter Wenger beim eigenen Untergang Spalier zu stehen, raffte sich Arsenal auf und kam in der 82. Minute zum Ausgleich durch Alexandre Lacazette.

"Fortschritt braucht Zeit": Unai Emery.

Der Treffer war der verdiente Lohn für den Einsatz und das offensive Auftreten der Nordlondoner. Liverpools Trainer Klopp scherzte hinterher sogar, dass er auch noch ehemalige Arsenal-Angreifer wie Robin Van Persie und Dennis Bergkamp auf dem Platz erwartet hätte. Wie schon mehrmals in den vergangenen Wochen punktete Arsenal noch nach einem Rückstand. Emery hat der Mannschaft in kurzer Zeit zu mehr Widerstandsfähigkeit und Kampfgeist verholfen. Dazu passte auch, dass der defensive Mittelfeldmann Lucas Torreira zum Mann des Abends gewählt wurde. Der 22 Jahre junge Uruguayer kam im Sommer für 30 Millionen Euro von Sampdoria Genua und ist mit seiner Disziplin und seinen Qualitäten als Abräumer vor der Abwehr ein Spielertyp, wie ihn Arsenal seit dem Weggang von Patrick Vieira vor mehr als einem Jahrzehnt vermisst hat.

Trotz der guten Lage bei Arsenal wäre allerdings niemand so verwegen, dem Klub ernsthaft Chancen im Titelrennen einzuräumen, das ist auch gar nicht der Anspruch für die erste Saison nach Wenger. Es genügt für den Moment, dass Emery die Mannschaft wieder unter Strom gesetzt hat und auf gutem Weg ist, den Rückstand auf die Spitzenteams zu verkürzen, in direkten Duellen wie dem 1:1 gegen Liverpool und in der Tabelle. Arsenal hat als Fünfter einen Punkt Rückstand auf den Nordlondoner Rivalen Tottenham Hotspur.

Klopp versucht sich in Genügsamkeit

Liverpool kann sich nach dem Remis zwar darüber freuen, als eine von drei Teams neben Manchester City und dem FC Chelsea (spielen beide an diesem Sonntag) noch ungeschlagen zu sein und zumindest vorübergehend die Tabellenführung übernommen zu haben. Doch die Stimmung bei Klopp und seiner Gefolgschaft war dadurch getrübt, dass dem Team erst ein regelkonformes Tor von Sadio Mané in der ersten Halbzeit wegen angeblicher Abseitsstellung verweigert worden war und dann Milners Führung nicht zum Sieg reichte. Dazu kamen viele ausgelassene Chancen. Verteidiger Virgil Van Dijk scherzte noch auf dem Rasen im Gespräch mit Klopp, dass er, Van Dijk, eigentlich sogar einen Hattrick hätte erzielen müssen.

Der deutsche Übungsleiter versuchte sich dennoch in Genügsamkeit und zeigte sich diplomatisch. Über Manés aberkannten Treffer sagte er: "Ich denke, es hätte ein Tor sein müssen. Aber so ist Fußball. Wir haben mehr Fehler gemacht als der Schiedsrichter, um ehrlich zu sein." Ein Punkt bei Arsenal sei "immer ein absolut gutes Ergebnis, also nehmen wir es", sagte er.

Viele Indizien deuten darauf hin, dass Liverpool das Titelrennen mit Manchester City lange offen gestalten kann in dieser Saison, Klopps Mannschaft hat sich als Verfolger etabliert. Doch ob es wirklich zur ersten Meisterschaft seit 1990 reicht, ist fraglich, denn in den Spitzenspielen gibt das Team von der Anfield Road immer wieder Punkte ab. Den beiden Unentschieden bei Chelsea (1:1) und zu Hause gegen Manchester City (0:0) folgte das nächste Remis – gegen Unai Emerys neuen, durchaus Respekt einflößenden FC Arsenal.

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