Friday, 3rd May 2024
3 Mai 2024

Die Lehren des zehnten Spieltags: Nur der BVB spielt wie der FC Bayern

In München nennen sie es Geistesblitz.

Von Tobias Nordmann und Stefan Giannakoulis


Während Lisa Müller die Probleme des FC Bayern aufdeckt und damit für eine mittelgroße Staatsaffäre sorgt, freuen sie sich in Dortmund wie Bolle auf das Topspiel. Immerhin bleiben beide Klubs erst einmal in der Liga. Super, oder?

1. Der FC Bayern ist fehlerhaft wie selten

Es gibt Menschen, die darüber gespottet haben, für welches Aufsehen am Wochenende eine Wortmeldung von Lisa Müller gesorgt hat. Lisa Müller ist die Frau von Thomas Müller. Und Thomas Müller spielt für Geld Fußball beim FC Bayern. Der FC Bayern wiederum spielt in diesen Wochen nicht besonders gut Fußball und Müller, immerhin Nationalspieler, sitzt öfter auf der Bank. Am zehnten Spieltag der Bundesliga gab es nur ein 1:1 gegen den SC Freiburg. Da Dortmund mit 1:0 in Wolfsburg gewann, beträgt der Rückstand der Münchner auf den Tabellenführer nun vier Punkte. Und zwischen den BVB und den FCB haben sich ja noch die Mönchengladbacher mit ihrem 3:0 gegen Fortuna Düsseldorf geschoben. Am kommenden Samstag (ab 18.30 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) spielen die Borussia und die Bayern dann in Dortmund gegeneinander. Und gewinnt der unternehmungslustige BVB gegen die trägen Münchner, dann thront er mit einem Sieben-Punkte-Polster an der Spitze.

Aber zurück zu Lisa Müller. Münchens Trainer Niko Kovac hatte sich am Samstag nach 70 Minuten just entschlossen, ihren Mann einzuwechseln, als sie vor der Tribüne aus diese Szene fotografierte und dann flugs bei Instagram veröffentlichte. "Mehr als 70 Min bis der mal nen Geistesblitz hat", schrieb sie dazu. Vermutlich hatte sie damit Kovac gemeint. Von da ab nahm das Ganze beinahe die Ausmaße einer Staatsaffäre an. Erst löschte Frau Müller den Post, dann, am Sonntag, veröffentlichte der FC Bayern auf seiner Heimseite eine Meldung, die besagte, sie habe den Trainer um Entschuldigung gebeten. Jetzt sei wieder alles gut. Dabei hatte sie, so befangen sie auch sein mag, nur geschrieben, was eh alle gesehen hatten. Dem FC Bayern fiel gegen clevere Freiburger nichts ein, einen Geistesblitz auf dem Rasen des Stadions in Fröttmaning hatte die Mannschaft nicht. Nicht Angreifer Robert Lewandowski, nicht die Außenstürmer Arjen Robben und Serge Gnabry, nicht James Rodríguez und Renato Sanches im offensiven Mittelfeld, nicht Joshua Kimmich, der bei den Münchnern wie neuerdings in der Nationalmannschaft erstmals auf der Sechserposition vor der Abwehr spielte – und das schlecht wie selten. Der "Kicker" hat alle Unzulänglichkeiten der Münchner in einem Fehlerprotokoll minutiös aufgelistet. Das Ergebnis: 37, wie sie im Tennis sagen, "unforced errors", also vermeidbare Fehler. Mal sehen, wie sie das am Mittwoch in der Champions League (ab 21 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) gegen den griechischen Meister AEK Athen lösen. Was uns aber noch ein bisschen mehr interessiert: Wie sprechen sie wohl bei Müllers zu Hause über Trainer Kovac?

2. Borussia Dortmund spielt "bayern-like"

Nun muss sich aber niemand sorgen, dass besagtes Topspiel zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern ohne "Mia san mia" stattfindet. Die unerschütterlich durchgespielte Überzeugung, jeden Gegner zu schlagen, verkörpert der Patentinhaber aus München in dieser Saison zwar nicht, dafür kann sich der BVB darauf berufen, die maximale Souveränität in sein Spektakel integriert zu haben. Neben der Gelassenheit von Rekordtrainer Lucien Favre – nie zuvor hat ein Coach in Dortmund seine ersten 15 Spiele ohne Niederlage überstanden – steht im zentralen Mittelfeld ganz besonders der belgische China-Import Axel Witsel für den unerschütterlichen Glauben, kein Spiel verlieren zu müssen (tun sie ja tatsächlich auch nicht), selbst wenn der oft so verheerend wirkende Sturm-Sturm um Paco Alcacer, Jacob Bruun Larsen und Jadon Sancho mal ziemlich wirkungslos durch eine Flaute treibt.

Rekordtrainer: Lucien Favre.

So fällt der 1:0-Erfolg beim VfL Wolfsburg in eine Kategorie, die dem BVB als Klub der alten Malocherstadt durchaus gefällt: "Es war ein Arbeitssieg, aber das ist ja auch gar nichts Negatives", erklärte folglich auch Sportdirektor Michael Zorc. Ein Kopfballtor von Marco Reus nach verunglückter Kopfball-Vorlage von Thomas Delaney, dazu ein bisschen Glück bei einem nicht gegebenen Elfmeter für Wolfsburg nach einem Schubser von Dan-Axel Zagadou – da mischt sich fußballerische Klasse und routinierte Souveränität eben auch mal mit ein bisschen Dusel. "Bayern-like" würde Manuel Neuer das nennen. Oder "Mia san mia". Die Aussicht, nach dem Ligagipfel sieben Zähler vor den Münchnern zu stehen, gefällt den Dortmundern. "Richtig geil wäre das", findet Delaney. Und was wäre dann beim FCB los? Wäre es dann vielleicht das Ende von Trainer Kovac? Noch findet Sportdirektor Hasan Salihamidzic diese Frage total "blödsinnig". Noch.

3. Die Superliga auch als Drohkulisse

Haben der FC Bayern und andere europäische Topvereine das Szenario einer Superliga benutzt, um den europäischen Fußballverband unter Druck zu setzen, auf dass sie ihnen noch mehr Geld und den besten Ligen noch mehr feste Startplätze zusichert? Ja, auch. Michael Gerlinger, Chefjustiziar der Münchner, sagt das in der ARD-Dokumentation "Football Leaks – Von Gier, Lügen und geheimen Deals" offen: "Die Uefa hat von uns die Message bekommen: Wir brauchen euch nicht." Wichtig sei es gewesen, das deutlich zu machen. Weil: "Sonst kann man sich auch in Verhandlungen nicht durchsetzen. Man musste vielleicht auch mal diese eine Übung machen, um zu zeigen, es ist jetzt nicht so, dass die Uefa sagen kann: Ohne uns könnt ihr gar keinen Wettbewerb spielen." Die Klubs hätten bewiesen, dass sie sich nicht alles gefallen lassen müssten: "Wir könnten es selber. Wir wollen es nicht." Aber wenn es so weit komme, "dann wären wir bereit, es auch selber zu machen". Die Frage ist nun: Wann ist es so weit?

4. Herrje, VfB Stuttgart

0:4 (gegen den BVB), 0:4 (in Hoffenheim), 0:3 (gegen Eintracht Frankfurt) – die Fans fluchen: "Ihr spielt wie ein Absteiger". Tja, wer will da widersprechen? Der VfB Stuttgart wackelt auch unter dem neuen Trainer Markus Weinzierl wie ein Lämmerschwanz durch die Liga. Hoffnung auf Besserung? Nicht vorhanden, jedenfalls nicht bei den Kollegen vom "Kicker". Sie schreiben: "Die Defizite sind so grundlegend und tiefgreifend, dass sie sich kurzfristig kaum beheben lassen." Es geht um mangelnde Fitness, um mangelnde Organisation und Abstimmung, um mangelnde Aggressivität und geistige Frische. Für die könnte künftig, Obacht, Jürgen Klinsmann sorgen. Die "Stuttgarter Nachrichten" schreiben mit Verweis auf einen Bericht der "Welt am Sonntag",  Klinsmann wolle "zurück ins Spiel und kann sich einen Managerjob beim VfB vorstellen". Aber für den ehemaligen VfB-Stürmer und Bundestrainer steht die Sache so: "Ich kann mir vieles vorstellen, weil es dann möglich wäre, bei einem Verein einzusteigen", sagte Klinsmann jüngst der "Sportbild". Jedoch sei es für ihn "schwer vorstellbar, eine Rolle zu  übernehmen, bei der du nicht das absolute Sagen hast". Dem stünde in  Stuttgart derzeit aber Sportvorstand Michael Reschke entgegen. Der indes ist heftig angeschlagen: "Die Verantwortung liegt zum größten Teil bei mir", sagt Reschke. "Es ist eine Phase, die Bauchschmerzen verursacht und mich extrem belastet." Die Fans haben sich derweil von der Qual befreit. Sie suchen bereits nach Alternativen: Nähkurse oder Backnachmittage.

5. Bayers Rauschfußballer erleben Rückfall

Sie waren mit 6:2 über Werder Bremen hinwegrauscht. Und Borussia Mönchengladbach hatten sie mit 5:0 gedemütigt. Jeweils auswärts. Was war das für eine Woche für Bayer 04 Leverkusen. Die Hochbegabten und ihr Trainer Heiko Herrlich fühlten sich nach zähem Start in die Saison endlich auf Normalniveau. Und dann das: 1:4 daheim gegen die TSG Hoffenheim. Klingt fürchterlich, ist aber nur die halbe Wahrheit. So war WDR2-Radiomann Holger Dahl in den ersten 45 Minuten völlig fassungslos, dass die Rauschfußballer von Bayer tatsächlich mit einem Rückstand in die Kabine gehen mussten. Nun, der Widerspruch ist ganz schnell aufgelöst: Vorne wucherte Leverkusen mit seinen Chancen, hinten spielte die Mannschaft einmal mehr unglaublich naiv – das Champions-League-ambitionierte Team* kassierte bereits die Gegentore 18, 19, 20 und 21. Die "Bild"-Zeitung wähnte bei den nach eigenem Urteil (Julian Brandt) zuletzt erwachsen gewordenen Bayer-Talenten einen Rückfall in den Kindergarten.

Und Ex-Manager Reiner Calmund schimpfte in seinem Expertenauftrag bei Sky: "Fußball ist kein Eiskunstlaufen." Was er damit sagen will? Nun, nur "schön" reicht halt nicht. Wobei das für Eiskunstlaufen natürlich auch nicht gilt. Bayer? Bleibt ein Rätsel.

*Seit der Einführung der Drei-Punkte-Wertung in der Spielzeit 1995/96 gelang nur Hertha BSC Berlin das Kunststück, nach nur elf Zählern aus zehn Spielen noch in die Champions League zu kommen.

6. Wenn die Fans plötzlich still sind

Nach der Randale in Dortmund beim 2:2 gegen den BVB am neunten Spieltag hatte Hertha BSC nun seinen und den Fans des Gegners verboten, beim Heimspiel gegen die Rasenballsportler aus Leipzig Banner mitzubringen. Der Anhang reagierte mit einem Stimmungsboykott. Obwohl am frühen Samstagabend mehr als 50.000 Menschen im Olympiastadion waren, herrschte zeitweise eine gespenstische Stille. "Wenn man böse wäre, würde man sagen, das war eine Friedhofstimmung. Ich habe so etwas noch nie erlebt bei einem Heimspiel", sagte Herthas Trainer Pal Dardai. Und wie geht es jetzt weiter? Unser Kollege Ullrich Kroemer war beim Spiel und hat sich umgehört.

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