Friday, 26th April 2024
26 April 2024

Indonesien: Keine Angst vor einer Finanzkrise

Die Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft findet in diesem Jahr in Jakarta statt. Im Vorfeld sprach die DW mit Jan Rönnfeld von der Auslandshandelskammer in Indonesien über die dortige Situation.

Die größte deutsche Networkingkonferenz in der Asien-Pazifik Region findet vom 1. bis 3. November in der indonesischen Hauptstadt Jakarta statt. Zur 16. Asien-Pazifik-Konferenz (APK) der deutschen Wirtschaft werden über 900 Gäste erwartet, darunter Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Spitzenmanager von Großunternehmen wie Siemens, Bosch oder Daimler. Aber auch viele Mittelständler sind dabei und rund die Hälfte der Teilnehmer kommt aus der Region.

Indonesien gehört zu den 20 größten Volkswirtschaften der Welt. Mit 260 Millionen Einwohnern ist es das größte Land mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung. Im Vorfeld der Konferenz sprach DW mit Jan Rönnfeld, der als Geschäftsführer der deutsch-indonesischen Auslandshandelskammer (AHK) die Konferenz mitorganisiert hat. 

Deutsche Welle: Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Situation Indonesiens derzeit ein?

Jan Rönnfeld: Relativ positiv, das Land wirkt sehr stabil. Unter den G20-Ländern gehört es zu den Ländern mit dem stabilsten Wachstum, so um die fünf bis sechs Prozent. Treibende Kraft ist vor allem die wachsende Mittelschicht. Ungefähr 60 Prozent des Wachstums werden durch den lokalen Konsum generiert, das trägt zur Stabilität bei.

Aber Indonesien ist, wie andere Schwellenländer auch, von Kapitalflucht betroffen. Anleger orientieren sich derzeit eher weg von den Schwellenländern. Welche Auswirkungen hat das?

Die erste Auswirkung ist natürlich der Währungsverfall, von dem auch Indonesien betroffen ist. Neben Indien ist es der davon am stärksten betroffene asiatische Staat. Der zweite große Effekt betrifft die Importe, denn Indonesien muss einen Großteil seines Öls und seiner Petroleumprodukte einführen. Ein schlechter Wechselkurs, verbunden mit einem hohen Ölpreis, hat Folgen, die man in der Regierung spürt.

Das heißt aber auch, dass die Bevölkerung das ebenfalls spürt?

Ja natürlich, etwa über die steigenden Benzinpreise. Und es gibt einen Inflationseffekt, den spürt man dann auch bei anderen importierten Gütern. Umgekehrt hat der Anstieg der Rohstoffpreise auch einen positiven Effekt, denn Indonesien exportiert ja auch Rohstoffe [u.a. Kohle und Gas – Anm. d. Red.] und verdient damit dann mehr Geld. Generell ist der Währungsverfall aber der dominantere Effekt.

Gibt es Befürchtungen, dass sich die Asienkrise von 1997-98 wiederholen könnte? Damals verlor Indonesiens Währung 75 Prozent ihres Wertes, zahlreiche Unternehmen gingen bankrott.

Viele Indonesier, die heute in leitenden Positionen sind, haben diese Krise damals selbst erlebt. Insofern ist das schon eine Befürchtung, die im Raum steht. Ich glaube aber, dass die Situation heute stabiler ist als 1998. 

Indonesien hat jetzt deutlich mehr Währungsreserven, zwischen 115 und 120 Milliarden US-Dollar. Wenn man ausrechnet, über wie viele Monate ein Land in der Lage wäre, seinen Außenhandel zu finanzieren, dann liegt Indonesien deutlich über dem Schwellenwert von drei Monaten. Auch die Auslandsverschuldung hält sich in Grenzen, und die Staatsverschuldung liegt nur bei rund 30 Prozent der Wirtschaftsleistung. Da ist Indonesien in einer wirklich komfortablen Lage.

Trotz dieser Stabilität gibt es an den Märkten gewisse Irrationalitäten in Bezug auf die Schwellenländer. Wie schätzen Sie das ein?

Vergleicht man Indonesien mit seiner Peer Group – also mit Ländern, die einen ähnlichen Entwicklungsstand haben – dann wären das nicht die umliegenden Länder, sondern eher Brasilien, Südafrika, die Türkei oder Russland. Wenn man sich ansieht, was diese Länder in den letzten Jahren für Probleme hatten, dann ist Indonesien ein relativ entspanntes Land.


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    Früher war das Meer kilometerweit weg, mittlerweile steigt die Flut fast täglich bis in die Klassenzimmer – und hinterlässt neben Feuchtigkeit eine feine Schlammschicht am Boden. Vor allem die Orte in der Küstenregion von Pantai Bahagia unweit von Jakarta sind betroffen. Klimaforscher aus Jakarta fürchten, dass der Meeresspiegel in den nächsten Jahrzehnten um bis zu 90 Zentimeter steigen könnte.


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    Autorin/Autor: Stephanie Höppner, Florian Meyer


Was versprechen Sie sich von der Asien-Pazifik-Konferenz in Jakarta?

Indonesien wurde ausgewählt, um die Aufmerksamkeit auf dieses Land zu lenken. Auf der Prioritätenskala der deutschen Unternehmen ist das Land bisher nicht dort, wo es aufgrund seiner Möglichkeiten und Größe hingehört. Deshalb hat man sich für Jakarta entschieden.

Generell ist die Konferenz keine bilaterale, sondern eine asiatische Konferenz, und es werden auch globale Themen diskutiert. Wir versprechen uns davon einen Austausch mit der stark wachsenden Region Asien – auch um zu sehen, welche Länder noch auf den freien und regelbasierten Handel ausgerichtet sind und nicht so starke protektionistische Tendenzen haben.  

Jan Rönnfeld ist seit fast 14 Jahren Geschäftsführer der Auslandshandelskammer (AHK) in Indonesien. Vorher war der studierte Volkswirt, der auch einen MBA und einen Bachelor in Kulturwissenschaften hat, bereits für die AHK in New York tätig. Seine Themenschwerpunkte sind Marketing, strategische Planung und Projektmanagement.

Das Interview führte Manuela Kasper-Claridge. 

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