Monday, 29th April 2024
29 April 2024

Erdgas ist nicht die Zukunft

Die Infrastruktur für Erdgas wird weltweit ausgebaut. Doch sollen die Klimaziele erreicht werden, muss auch der Verbrauch deutlich sinken. Experten warnen vor schädlichen Fehlinvestitionen.

Erdgas galt lange Zeit als die klimafreundlichste fossile Energie, denn bei der Verbrennung wird im Vergleich zur Kohle nur etwa halb so viel CO2 freigesetzt. So richtig klimafreundlich ist es jedoch nicht, denn Erdgas besteht aus Methan und das ist ein viel schlimmerer Klimakiller als CO2. Laut Weltklimarat (IPCC) verursacht es in den ersten 20 Jahren nach seiner Freisetzung einen rund 87 Mal stärkeren negativen Klimaeffekt in der Atmosphäre als CO2. Bezogen auf einen Zeitraum von 100 Jahren wäre der Klimaeffekt im Vergleich zu CO2 immer noch 36 Mal stärker.

„Wenn man die freigesetzten Methan-Emissionen während der Produktion und während des Transports in die Berechnung einbezieht, insbesondere die massiven Emissionen beim Fracking, dann kommt man schnell in Größenordnungen wo Erdgas nicht mehr besser ist als Kohle“, erklärt Klimaforscher Niklas Höhne vom NewClimate Institute in Köln der DW. „Wenn alle Emissionen berücksichtigt werden, dann kann Erdgas tatsächlich schlechter sein als Kohle.“

Die Studien zu den Methanemissionen bei der Erdgasgewinnung und dem Transport sind auch dem Bundesumweltministerium (BMU) bekannt. „Wir gehen davon aus, dass durch Fracking gewonnenes und mittels LNG (durch Abkühlung verflüssigtes Erdgas) importiertes Erdgas im Vergleich zur Kohle in der Regel keine Treibhausgasminderung mit sich bringt“, heißt es in der Stellungnahme vom BMU gegenüber der DW. Bei Erdgas aus Pipelines sieht das BMU laut einer Studie im Betrachtungszeitraum von 100 Jahren einen Klimavorteil im Vergleich zur Kohle. 

Mehr dazu: US-Gas könnte so klimaschädlich wie Kohle sein

US-Erdgasgewinnung mit Fracking: Durch die ungewollte Freisetzung von Methan wird Erdgas sehr klimaschädlich

Braucht die Welt mehr Erdgas?

Europa erlebt einen Kampf ums Erdgasgeschäft. Russland will mit einer weiteren Ostseepipeline, Nord Stream 2, seinen Absatz von Erdgas in der EU erhöhen und Donald Trump das durch Abkühlung verflüssigte Erdgas (LNG) per Schiff in der EU vermarkten. Nach Einschätzung von Experten wird der Verbrauch von Erdgas in der EU jedoch nicht mehr wesentlich steigen und sollte in den nächsten drei Jahrzehnten sowieso auf Null sinken.

„Wir gehen davon aus, dass durch erneuerbare Energien und Klimaschutzpolitik der Erdgasbedarf mindestens stagniert, aber aller Voraussicht nach zurück gehen wird“, sagt Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) der DW. Das DIW bezeichnet in einer Studie die geplante Ostseepipeline als überflüssig. „In Anbetracht des 1,5 Grad-Ziels und dem damit verbundenen Ziel der weitgehenden Treibhausgas-Neutralität bis Mitte des Jahrhunderts wird der Bedarf an fossilem Gas mittelfristig rückläufig sein „, betont auch ein BMU-Sprecher gegenüber der DW.

Laut einer Studie vom Institute for Sustainable Futures (ISF) an der University of Technology Sydney müsste zur Erreichung des Pariser Klimaziels der globale Erdgasverbrauch bis 2025 leicht sinken (- 0,2 Prozent pro Jahr) und zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels ab 2025 deutlich um vier Prozent pro Jahr.

Würde dagegen der globale Erdgasverbrauch in den nächsten zwei Dekaden weiter steigen, um jährlich zwei Prozent, so stiege laut ISF-Referenzszenario bei ebenfalls wachsendem Öl- und Kohleverbrauch die Erderwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit auf bis zu fünf Grad im Jahr 2100.

Mehr zum Thema: UN-Report als Feueralarm: Noch ist der Klimawandel begrenzbar

Klimaschädlicher Absatzkrieg

Laut DIW wird die geplante Ostseepipeline Nordstream 2 auch unrentabel sein. „Wir befinden uns mitten im fossilen Krieg“, so Kemfert. „Es geht hier um die Beibehaltung einer Vormachtstellung mit fossilen Energien und da gibt es die Fehleinschätzung, dass wir fossile Energien noch ewig lange haben werden.“

Für den Klimaschutz sei dieser „Gasabsatzkrieg“ zwischen den USA und Russland „brandgefährlich“, sagt der Bundestagsabgeordnete Lorenz Gösta Beutin von den Linken. Eine Überflutung Deutschlands und Europas mit Erdgas wird für niedrige Preise sorgen und dies bremse energetische Gebäudesanierungen und die Umstellung auf Heizungstechniken mit erneuerbaren Energien.Für die Grüne Bundestagsabgeordnete Julia Verlinden ist der Ausbau der Erdgas-Infrastruktur eine „völlige Fehlinvestition. Im Zweifel wird so das fossile Zeitalter verlängert und es wird schwieriger für erneuerbare Energien.“

Ähnlich sieht dies auch Klimaforscher Niklas Höhne: Besser wäre es fürs Klima und für Investoren, wenn jetzt von Anfang an das Geld „in zukunftsfähige Technologien wie erneuerbare Energien und Speichermöglichkeiten“ fließt. „Auch für die Volkswirtschaft ist es nie gut, wenn man Investitionen tätigt, die sich nachher nicht rentieren.“

Die verschlechterten Perspektiven für Erdgas liegen aber auch in dem Kostenvorteil von erneuerbaren Energien: Die Stromerzeugung aus neuen Wind- und Solaranlagen ist inzwischen oft günstiger als mit Gas und die Kosten für die Energieerzeugung mit Wind und Sonne sinken in den kommenden Jahren nach Prognosen weiter. Werden auch noch die volkswirtschaftlichen Klima- und Umweltkosten hinzugezogen, so fällt auch die Gaskraft im Kostenvergleich weit abgeschlagen zurück.

Erdgasbranche sieht Zukunft mit klimaneutralem Gas

Timm Kehler, Geschäftsführer vom Dachverband Zukunft Erdgas, kennt die Herausforderungen im Kontext der Pariser Klimaziele und die Warnung von Umweltverbänden gegen den Ausbau des Gasinfrastruktur. Er sieht eine Zukunft für seine Branche im Handel mit klimaneutral erzeugten Gasen wie Wasserstoff und synthetisch erzeugtem Methan (Power-to-Gas). Diese lassen sich mit Hilfe von Wind- und Solarstrom herstellen, können wie Erdgas weltweit vermarktet werden und seien eine wichtige Ergänzung im klimaneutralen Energiesystem: „Wir wollen durch neue Ideen, durch Innovationen im Markt bleiben“, betont Kehler gegenüber der DW und dies in Zukunft mit CO2-freien Energieträgern“.

Klimaforscher würden die Entwicklung begrüßen. „Wir müssen komplett aus Kohle, Öl und Gas bis zur Mitte des Jahrhunderts aussteigen“, sagt Höhne vom NewClimate Institute in Köln. „Insofern kann Erdgas nur eine sehr kleine Rolle beigemessen werden auf dem Weg hin zu einer klimafreundlichen Welt.“


  • Was kann man für den Klimaschutz tun?

    1. Weniger Kohle, Öl und Gas nutzen

    Die meisten Klimagase kommen aus Kraftwerken, Industrie und dem Verkehr. Das Heizen von Gebäuden verursacht sechs Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. Wer Energie effizient nutzt und Kohle, Öl und Gas einspart, schützt das Klima.


  • Was kann man für den Klimaschutz tun?

    2. Sauberen Strom selbst erzeugen

    Strom muss inzwischen nicht mehr aus Kohle-, Öl- und Gaskraftwerken kommen. Es gibt Alternativen – und die sind inzwischen sogar meist preiswerter. Strom lässt sich leicht selber produzieren und oft auch mehr als man braucht. Auf den Dächern gibt es für Solarmodule viel Platz, die Technik ist etabliert.


  • Was kann man für den Klimaschutz tun?

    3. Gute Ideen unterstützen

    Immer mehr Kommunen, Firmen und Genossenschaften investieren in erneuerbare Energien und verkaufen sauberen Strom. Dieser Solarpark gehört Saerbeck. Die deutsche Gemeinde mit 7200 Einwohnern produziert mehr Strom als sie braucht und ist ein Vorbild. Hier ist gerade eine Delegation aus den USA zu Besuch.


  • Was kann man für den Klimaschutz tun?

    4. Kein Geld für klimaschädliche Unternehmen

    Immer mehr Bürger, Pensionsfonds, Versicherungen, Universitäten und Städte ziehen ihr Geld aus fossilen Brennstoffunternehmen ab. Münster ist in Deutschland die erste Stadt, die sich der sogenannten Divestment-Bewegung angeschlossen hat. Weltweit haben das mittlerweile 57 Städte getan. Die globale Bewegung hat viel Dynamik, auch weil jeder mitmachen kann.


  • Was kann man für den Klimaschutz tun?

    5. Umsteigen auf Rad, Bus und Bahn

    Fahrräder, Bus und Bahn sparen viel CO2. Im Vergleich zum Auto ist ein Bus fünf Mal klimafreundlicher und ein elektrisch betriebener Zug mit Ökostrom sogar über 20 Mal. In Amsterdam fahren die meisten Bürger Rad. Die Stadt sorgt mit breiten Radwegen und Fahrradstraßen dafür, dass das gut geht.


  • Was kann man für den Klimaschutz tun?

    6. Nicht fliegen

    Fliegen ist äußerst klimaschädlich. Die Fakten zeigen das Dilemma: Zur Einhaltung des Klimaziele sollte jeder Erdbewohner im Durchschnitt weniger als zwei Tonnen CO2 pro Jahr verursachen. Ein Hin- und Rückflug zwischen Berlin und New York verursacht pro Person jedoch schon eine Klimawirkung von 6,5 Tonnen CO2.


  • Was kann man für den Klimaschutz tun?

    7. Weniger Fleisch essen

    Für das Klima ist auch die Landwirtschaft ein Problem. Beim Reisanbau und in den Mägen von Rindern, Schafen und Ziegen entsteht das sehr klimaschädliche Gas Methan. Kritisch sind Viehhaltung und weltweit wachsender Fleischkonsum auch wegen des zunehmenden Bedarfs an Soja für die Fütterung. Für den Soja-Anbau werden Regenwälder abgeholzt.


  • Was kann man für den Klimaschutz tun?

    8. Biolebensmittel kaufen

    Besonders klimaschädlich ist Lachgas. Sein Anteil am globalen Treibhauseffekt liegt bei sechs Prozent. Es entsteht in Kraftwerken und Motoren, vor allem aber durch Kunstdünger in der industriellen Landwirtschaft. Beim ökologischen Anbau sind diese verboten und deshalb wird weniger Lachgas freigesetzt. Das hilft dem Klimaschutz.


  • Was kann man für den Klimaschutz tun?

    9. Nachhaltig bauen und konsumieren

    Bei der Herstellung von Stahl und Zement entsteht viel CO2, beim Wachstum von Holz und Bambus wird CO2 dagegen gebunden. Die bewusste Wahl von Baumaterialien hilft dem Klima, das gleiche gilt für den Konsum. Für eine Massage und Frisur braucht man keine fossile Energie, für Plastikbecher, die jeden Tag im Müll landen, viel.


  • Was kann man für den Klimaschutz tun?

    10. Verantwortung übernehmen

    Wie kann man Treibhausgase vermeiden, damit weltweit alle Kinder und ihre Kinder ohne Klimakatastrophe gut leben? Diese Schüler sind fasziniert von sauberer Energie und sehen sie als Chance für ihre Zukunft. Jeder kann helfen, dass dies gelingt.

    Autorin/Autor: Gero Rueter


 

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