Monday, 29th April 2024
29 April 2024

Judenfeindlichkeit: Jeder dritte EU-Bürger empfindet wachsenden Antisemitismus

Davidstern am Eingang des Jüdischen Friedhofs in Köln-Bocklemünd: In der Studie äußerten neun von zehn befragten Juden, dass Antisemitismus in ihrem Land zunimmt. (Quelle: imago)

Jeder dritte EU-Bürger sieht Judenfeindlichkeit in seiner Umgebung auf dem Vormarsch, so eine Studie im Auftrag der Kommission. In der jüdischen Bevölkerung sind es es sogar 90 Prozent. 

Etwa jeder dritte EU-Bürger nimmt einer Studie zufolge einen Anstieg von Antisemitismus in seinem Land wahr – in der jüdischen Bevölkerung liegt der Anteil allerdings viel höher. Das geht aus einer Eurobarometer-Umfrage hervor, die am Dienstag in Brüssel veröffentlichte wurde. „Leider erhebt Antisemitismus noch immer seinen hässlichen Kopf über ganz Europa“, sagte der Vize-Präsident der EU-Kommission, Frans Timmermans.

EU-Justizkommissarin Vera Jourová betonte: „Niemand sollte Angst davor haben, in der EU eine Synagoge zu besuchen oder eine Kippa zu tragen.“ Am 27. Januar ist Internationaler Holocaust-Gedenktag.

Das Empfinden der EU-Bürger insgesamt unterscheidet sich deutlich von dem der jüdischen Bevölkerung. Das zeigt ein Vergleich der neuen Umfrage mit einer Erhebung der EU-Agentur für Grundrechte, die im Dezember die jüdische Bevölkerung in zwölf EU-Staaten befragt hatte. In der Gesamtbevölkerung nehmen demnach 36 Prozent zunehmenden Antisemitismus wahr, unter Juden sind es 90 Prozent.

Bewusstein für Antisemitismus nicht überall gleich

Jourová betonte, dass das Bewusstsein für Antisemitismus in jenen Ländern größer sei, in denen große jüdische Gemeinden lebten – unter ihnen auch Deutschland. Dort hätten viele Menschen jüdische Freunde oder es habe Anschläge auf die Jüdische Gemeinschaft gegeben, über die Medien berichteten. In Deutschland nehmen 61 Prozent der Bevölkerung zunehmenden Antisemitismus wahr, in Schweden sind es sogar 73 Prozent.

Grundsätzlich hält jeder zweite EU-Bürger (50 Prozent) Antisemitismus in seinem Land für ein Problem. In einigen Ländern ist das Bewusstsein für Judenfeindlichkeit deutlich höher, auch in Deutschland. Hier sehen zwei Drittel der Bevölkerung (66 Prozent) Antisemitismus als Problem, in Frankreich sogar 72 Prozent und in Schweden 81 Prozent. EU-weit ist jeder zweite Befragte der Meinung, dass das Leugnen des Holocausts in seinem Land ein Problem darstelle.

Fehlendes Wissen über jüdische Geschichte

Der Umfrage nach fehlt es zudem häufig an Wissen über jüdische Geschichte und Bräuche. Zwei von drei EU-Bürgern gaben demnach an, die Bevölkerung sei nicht besonders gut (52 Prozent) oder überhaupt nicht (16 Prozent) darüber informiert. In Deutschland ist das Unwissen noch größer. Hier gaben drei von vier Befragten an, die Menschen seien nicht besonders gut (61 Prozent) oder überhaupt nicht informiert (13 Prozent). 23 Prozent der Deutschen denken sogar, das Leugnen des Holocausts sei in der Bundesrepublik nicht strafbar.

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Ursache für dieses Unwissen ist nach Jourovás Meinung mangelnde Bildung. „Bildung ist nicht nur der Schlüssel zum Verständnis der Schoah als Abgrund der Menschlichkeit, sondern auch für wachsendes Bewusstsein von Antisemitismus und wie er noch heute in Europa lebendig ist“, sagte sie. EU-weit sind 42 Prozent der Bürger der Meinung, dass der Holocaust nicht ausreichend in der Schule gelehrt werde. In Deutschland sind es 36 Prozent.

Die Innenminister der EU-Staaten hatten im Dezember eine Erklärung zum Kampf gegen Antisemitismus verabschiedet. Darin fordern sie unter anderem einen besseren Schutz jüdischer Gemeinden und Einrichtungen.

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