Friday, 29th March 2024
29 März 2024

Die Tomate: rot und rund und jetzt auch scharf

Brasilianische Forscher suchen nach Wegen, Tomatengene zu reaktivieren, sodass de Beere die gleichen Stoffe wie Chilischoten produziert.

Etwa 26 Kilogramm Tomaten isst der durchschnittliche Deutsche im Jahr. Neben extra kleinen, besonders geformten und möglichst…

Aus evolutionärer Perspektive sind Tomaten und Chilischoten nicht so verschieden. Obwohl sie vor etwa 19 Millionen Jahren begannen sich in verschiedene Richtungen zu entwickeln, sind ihre Genome recht ähnlich. Das wollen Forscher jetzt nutzen und eine scharf schmeckende Tomate züchten. Sie könnte nicht nur ein beliebter Neuzugang im Gemüseregal werden, sondern auch die Produktion der für die Schärfe zuständigen Moleküle, der Capsaicinoide, vereinfachen, welche unter anderem in Cremes gegen Rheuma eingesetzt werden. So argumentiert eine Forschungsgruppe um Agustin Zsögon im Fachblatt „Trends in Plant Science“.

Capsaicinoide aus Chilis werden gegen Muskelverspannungen eingesetzt

Capsaicinoide kommen in verschiedenen Chili- und Paprikapflanzen vor und haben neben dem scharfen Geschmack eine Reihe positiver Eigenschaften. Antibakterielle und fungizide Eigenschaften sind ebenso nachgewiesen wie der wirksame Einsatz zur Schmerzlinderung. Positiv dabei ist vor allem, dass Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten so gut wie ausgeschlossen werden können.

Besonders verbreitet ist der Einsatz in Wärmepflastern und -cremes gegen Verspannungen. Dort reizen die Capsaicinoide bei Hautkontakt Wärme- und Schmerzrezeptoren. Das Brennen überdeckt zunächst vorhandene Schmerzreize und führt später zu einer bis zu Tagen anhaltenden Desensibilisierung. Gleichzeitig trägt die Wärme zur besseren Durchblutung bei.

Auch im Mund aktiviert die Chili-Schärfe Nervenzellen, die auf hitzeinduzierte Schmerzen reagieren. Was wir als scharfen Geschmack empfinden, ist also eigentlich eine Schmerzreaktion. Bei regelmäßigem Verzehr scharfer Speisen werden die Rezeptoren weniger sensibel – wer das Würzen mit Chili gewöhnt ist, kann mehr Schärfe ertragen.

Schnelles Wachstum von Tomaten könnte Capsaicinoid-Produktion vereinfachen

Vögel haben diese Schmerzrezeptoren übrigens nicht. Vermutlich haben sich die Chili- und Paprikagewächse so einen evolutionären Vorteil verschafft: kleine Säugetiere werden vom Verzehr abgehalten und so die effektivere Samenverteilung durch Vögel genutzt. Diese Hilfe können die Pflanzen aus der Familie der Nachtschattengewächse gut gebrauchen. Im Gegensatz zu Tomaten wachsen sie deutlich langsamer, bleiben viel kleiner und benötigen mehr Wärme. Für den landwirtschaftlichen Anbau heißt das, dass in der gleichen Zeit knapp 40 mal so viele Tomaten wie Paprika geerntet werden können. Deshalb waren die Forscher so erfreut, als die Sequenzierung des Chiligenoms und der anschließende Vergleich mit der Tomatenpflanze ergab, dass auch in Tomaten Capsaicinoide hergestellt werden können. Die dafür benötigten Gene sind im Erbgut der Tomate natürlicherweise alle vorhanden, sind nur normalerweise nicht aktiv. „Theoretisch kann man diese Gene nutzen, um Capsaicinoide in Tomaten zu produzieren“, erklärt Agustin Zsögon, Biologe an der Universität von Viçosa. Weil allerdings nicht bekannt ist, wie genau die Capsaicinoidproduktion funktioniere, werde unter anderem versucht, einzelne Gene zu aktivieren und jeweils zu analysieren, welche Komponenten gebildet werden.

Auch wenn sie vom Supermarktregal noch weit entfernt ist – die Sequenzierung des Chiligenoms mache den Weg zur Entwicklung einer scharf schmeckenden Tomate frei, glauben die Forscher. Während sie  versuchen, die beste Herangehensweise dafür zu finden, versuchen sie außerdem herauszufinden, warum Tomaten nicht sowieso Capsaicinoide enthalten und ob die genmodifizierte Variante unter den gleichen Anbaubedingungen wachsen würde wie ihre süßer schmeckende Schwester.

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