Thursday, 28th March 2024
28 März 2024

Das heikle Metall im Handy-Akku

Batteriespeicher brauchen Kobalt. Der Bedarf steigt, doch der Abbau ist problematisch. Gibt es Alternativen?

Der Alltag der „Creuseurs“ genannten Arbeiter ist so staubgrau wie der Tagebau, in dem sie graben.

Elektromobilität gilt als besonders umweltfreundliche Art der Fortbewegung. Zumindest wenn der Anteil an Strom aus Kohlekraftwerken im Strommix nicht so hoch ist, haben E-Autos gegenüber Verbrennern von erdölbasierten Treibstoffen einen klaren Klima- und Umweltvorteil. Eigentlich. Denn beim Blick auf Details verblasst das strahlend grüne Image. Ein Problem ist Kobalt. Sein Abbau ist ökologisch und sozial in den meisten Fällen alles andere als sauber. Ohne geht es aber derzeit nicht.

Das Metall wird für Lithium-Ionen-Akkus benötigt, um die Energiedichte zu erhöhen. Die ist für die Praxistauglichkeit von E-Autos so wichtig wie eine möglichst kurze Ladezeit. Auch die ist allerdings kobaltabhängig, denn das Metall leitet Strom extrem gut. In manchen Auto-Akkus steckt kiloweise Kobalt. Auch andere Lithium-Ionen-Akkus, etwa in Smartphones, enthalten das Metall.

Der weltweite Bedarf ist hoch und steigt stetig. Derzeit liegt er bei rund 110.000 Tonnen pro Jahr und wird sich nach Berechnungen der Deutschen Rohstoffagentur (Dera) weiter „hochdynamisch“ entwickeln. Bis 2026 werden es je nach Szenario 187.000 bis etwa 225.000 Tonnen jährlich sein. Größte Wachstumstreiber sind die Nachfrage nach wiederaufladbaren Batterien für E-Mobilität, die Speicherung regenerativer Energien sowie mobile Anwendungen.

Schäden im Erbgut von ausgebeuteten Kindern nachgewiesen

Mehr als 60 Prozent des Kobalts wird in der Demokratischen Republik (DR) Kongo gefördert, oftmals im Kleinbergbau. Hier schürfen Menschen – Erwachsene wie Kinder – mit einfachsten Mitteln das Erz. Die Folge sind Belastungen für die Umwelt – und die Gesundheit, etwa erhöhte Kobaltwerte im Blut. Auch Hinweise auf darauf zurückzuführende Schäden am Erbgut wurden bei Kindern nachgewiesen. Das berichteten kürzlich Benoit Nemery von der Universität Leuven und sein Team im Fachmagazin „Nature Sustainability“. Dazu kommen soziale und ökonomische Verwerfungen, weil junge Männer hoffen, als Schürfer – „Creuseurs“ – in den Minen schnelles Geld machen zu können und deshalb Arbeitskräfte in der Landwirtschaft fehlen. Das führt zu Nahrungsmittelengpässen.

Wie die Dera-Experten in der aktuellen „Kobaltstudie“ darlegen, wird der Anteil der Kobaltförderung in der DR Kongo weiter zunehmen, im industriellen wie im Kleinbergbau. Nicht zuletzt durch den Druck von Konsumenten versuchen manche Hersteller, auf Kobalt aus diesen gefährlichen Minen zu verzichten. Dazu sind jedoch regelmäßige Kontrollen vor Ort nötig. Ein chemischer Fingerabdruck, der im ebenfalls umstrittenen Coltan-Bergbau für Herkunftsanalysen genutzt werden kann, ist bei Kobalt derzeit nicht verfügbar.

Bei Coltan wird das Erz – schwarze Körner in einem hellen Gestein – herausgebrochen und kann analysiert werden. Jede Lagerstätte hat eine individuelle chemische Signatur, die in einer Datenbank vermerkt wird. „Man kann eine Probe nehmen und anhand eines Vergleichs feststellen, ob sie aus der in den Lieferdokumenten angegebenen Lagerstätte kommt oder nicht“, erläutert Hans-Eike Gäbler von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover, die das Verfahren im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und des Bundeswirtschaftsministeriums entwickelt hat. Solche Untersuchungen seien bisher an drei Firmen verkauft worden, mit zwei weiteren sei man im Gespräch, sagt Gäbler, wobei über Details Stillschweigen vereinbart worden sei.

Knollen sammeln statt Kobalt schürfen

„Bei Kobalt funktioniert das aber nicht“, sagt der Forscher. „Die erzführenden Gesteine werden bereits vor Ort aufbereitet und verlieren dabei ihre individuelle Signatur.“ Das kobalthaltige Zwischenprodukt, das in den Handel gelangt, kann nicht mehr bis zur Mine zurückverfolgt werden. „Ich sehe auch kein Verfahren, mit dem das gelingen könnte.“

Kann man Kobalt anders – sozial- und umweltverträglich – fördern? Oder auf Alternativen umsteigen? Vielleicht.

Es gibt jedenfalls andere – wahrscheinlich riesige – Kobaltvorkommen, die erschlossen werden könnten: Manganknollen am Grund der Ozeane. Doch auch die bergen Konfliktpotenzial.

Wie Kartoffeln liegen sie im weichen Sediment. Schrumplige, schwarze Knollen, die neben Mangan Kupfer, Kobalt, Zink und Nickel enthalten. Die Metalle kommen in gelöster Form aus dem Sediment. Durch eine chemische Reaktion fallen sie aus und bilden jene Knollen – in einem sehr langwierigen Prozess: Für einen Zentimeter Knollendicke vergehen rund eine halbe Million Jahre.

Die BGR untersucht im Auftrag der Bundesregierung in der Clarion-Clipperton-Zone im Nordostpazifik Manganknollen in einem 75.000 Quadratkilometer großen Areal, was etwa der Größe Bayerns entspricht. „Wir schätzen, dass dort in 4.200 bis 4.500 Metern Tiefe rund 780 Millionen Tonnen Manganknollen vorhanden sind“, sagt Thomas Kuhn von der BGR. Das Potenzial sei „wirklich groß, insbesondere, wenn man weitere Teile des Meeresbodens einbezieht“. Allerdings müsse man bedenken, dass es noch kein anwendbares Abbauverfahren gebe, mit dem die Rohstoffe aus so großer Tiefe nach oben geholt werden können.

Auch pflanzliche Alternativen sind bislang nicht nachhaltig

Ein Konzept sähe so aus: Ein Raupenfahrzeug fährt über den Grund und nimmt die obersten 15 Zentimeter Sediment samt Knollen auf. Das Sediment wird abgetrennt und wieder ausgeworfen, die Knollen über Rohrleitungen nach oben gebracht. „Die Entwicklungen machen Fortschritte“, sagt Kuhn.

Eine belgische Firma etwa habe ihre Knollenerntemaschine „Patania II“ im Mai bereits im Tiefsee-Einsatz testen wollen, was dann aber aus technischen Gründen abgesagt worden sei. Es werde noch Jahre dauern bis der industrielle Einsatz möglich sei. „Ich bin dennoch überzeugt, dass es technisch und ökonomisch machbar ist, Manganknollen aus der Tiefsee zu gewinnen“, sagt Kuhn. Allerdings wäre auch hier der Eingriff in die Umwelt beträchtlich.

Das zeigt eine Studie des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel im Fachjournal „Scientific Reports“. Die Wissenschaftler waren 2015 zu einem Manganknollengebiet vor Peru zurückgekehrt, in dem schon 1989 in einem Projekt des Bundesforschungsministeriums der Boden mit einer Egge umgepflügt worden war, um den Abbau des Rohstoffs zu simulieren. Ziel war es, über einen langen Zeitraum zu beobachten, ob und wie sich der Meeresboden regenerieren kann. Die Fotos, die nun 26 Jahre später gemacht wurden, dokumentieren die Folgen.

„Nicht nur optisch unterscheiden sich die Pflugspuren von 1989 immer noch von der Umgebung. Auch die Besiedlung mit Organismen ist immer noch eine andere“, sagt der Geomar-Forscher Jens Greinert. Während mobile Arten wie Seegurken und Seesterne die Gebiete wieder besiedeln, fehlen sesshafte Tiere nach wie vor. Die Knollen bilden auf dem weichen Meeresboden die einzigen festen Untergründe für die Entwicklung von Anemonen, Weichkorallen oder Schwämmen. Werden sie entfernt, ist die Möglichkeit für diese Arten, das Gebiet neu zu besiedeln, stark eingeschränkt.

Kobalt bleibt auch in Zukunft unersetzbar

„Solche Untersuchungen und reale Abbautests sind wichtig, um die Folgen für die Umwelt genauer bewerten zu können“, sagt BGR-Forscher Kuhn. Sie müssten Ausgangspunkt für eine Diskussion sein, „ob die Gesellschaft einen Abbau der Manganknollen befürwortet oder weiter allein die Lagerstätten auf dem Festland nutzt“. Dass der Bedarf an Kobalt weiter kräftig steigt, steht für ihn außer Frage. Recycling sei wichtig, aber es sei eben „noch nicht so viel Kobalt im System, dass es für eine Kreislaufwirtschaft ausreicht.“

Das gelte auch für viele andere Rohstoffe. Olivier Vidal vom Forschungszentrum CNRS in Grenoble rechnet es in einer Studie im Fachmagazin „Elements“ vor: Durch technischen Fortschritt und zunehmenden weltweiten Wohlstand nehme der Bedarf so sehr zu, dass bis 2050 selbst bei Wiederverwertung von Materialien eine noch größere Menge an Metallen aus Lagerstätten gewonnen werden müsse, als in den vergangenen 100 Jahren bereits abgebaut wurde.

Umso wichtiger ist es, die Rohstoffe effizient einzusetzen. Bei Kobalt etwa sei dessen Anteil in Lithium-Ionen-Akkus „bereits deutlich reduziert“ und durch Nickel und Mangan ersetzt worden, sagt Maximilian Fichtner vom Helmholtz-Institut Ulm, das neue Batteriespeicher erforscht. Dies lasse sich aber nicht beliebig fortführen. Das Material werde sonst thermisch instabil – der Akku könnte brennen.

Alternativ werde an kobaltfreien Materialkombinationen geforscht, etwa Lithium-Eisen-Phosphat. „Sehr sicher“ sei dieser Ansatz, sagt Fichtner. Die Technik braucht aber mehr Platz. Ein Einsatz in Bussen etwa sei denkbar. Große Reichweiten aber „sind damit kaum möglich“.

Handynutzer können ihren Teil zur Lösung beitragen

Darüber hinaus gebe es Ansätze, völlig ohne Lithium-Ionen auszukommen und stattdessen auf Basis von Magnesium- oder Natrium-Ionen zu arbeiten. „Die Natrium-Ionen-Batterie ist sehr weit und könnte in einem Jahr auf den Markt kommen.“ Auch sie werde aber, verglichen mit der Lithium-Technologie, größer und schwerer sein und eigne sich eher für stationäre Speicher. „Das wäre dennoch hilfreich, weil es etwas Druck aus dem Markt der Lithium-Ionen-Batterien nimmt.“ Je mehr solcher vertretbarer Alternativen gefunden würden, umso weniger Kobalt sei nötig. Im Idealfall könnte man dieses dann ausschließlich für besonders leistungsfähige Akkus wie jene in Smartphones oder Laptops verwenden.

Abgesehen von technischen Fortschritten, kann auch jeder einzelne dazu beitragen, Ressourcen zu schonen. Dafür gelten zwei Grundregeln, ergänzt Fichtner: Geräte möglichst lange nutzen und sie anschließend ins Recycling geben. „Viele alte Smartphones liegen noch in Schubladen herum, sie könnten längst als Rohstoffquelle genutzt werden.“

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