Thursday, 28th March 2024
28 März 2024

Arbeiter profitieren nicht gleichermaßen vom fairen Handel

Das Fairtrade-Siegel soll dabei helfen, die Arbeitsbedingungen von Bauern zu verbessern. Bei einigen funktioniert das, andere gehen jedoch leer aus.

Der Kakaobauer Antoine Kakule Kihumuledi (rechts) öffnet Kakaoschoten mit einem Stock.

Bauern, die das Fairtrade-Siegel nutzen, bekommen unter anderem einen Zuschlag auf den Weltmarktpreis für Kakao. Damit sollen sie etwa ihr Einkommen erhöhen, auf Kinderarbeit verzichten und die Arbeitsbedingungen von Helfern verbessern. Eine Studie im Journal „Nature Sustainability“ unter Beteiligung der Universität Göttingen zeigt nun, dass letzteres nicht gut genug funktioniert.

Demnach verbessert das Fairtrade-Siegel auf Schokolade zwar die Situation kleiner Kakaobauern, nicht aber die ihrer Helfer. Das ergab eine Befragung auf Kakaofarmen im Süden der Elfenbeinküste, die vergangenes Jahr durchgeführt wurde.

Arbeiter bekommen oft nicht einmal den Mindestlohn

Das Team um Eva-Marie Meemken von der University of Minnesota befragte 250 Arbeiter und ihre Vorgesetzten von zufällig ausgewählten Kakaofarmen der Elfenbeinküste. Die Hälfte der Befragten arbeitete auf für das Fairtrade-Siegel zertifizierten Farmen. Die Forscher erfassten etwa Einkommen, Jobsicherheit und Arbeitsbedingungen. Das Ergebnis: Die Arbeiter auf Fairtrade-zertifizierten Farmen erhalten nicht mehr Gehalt als andere, oft nicht einmal den im Land geltenden Mindestlohn.

Zudem befragten die Forscher 250 Angestellte und deren Vorgesetzte von Kooperativen, also Zusammenschlüssen von Kakaofarmen. Sie profitierten vom Fairtrade-Siegel durch bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne. Die Angestellten, meist Bürger der Elfenbeinküste, haben oft bessere Ausbildungen und Verträge als die Helfer der Kleinbauern. Viele Helfer sind Migranten aus Nachbarländern wie Burkina Faso oder Mali, haben nie die Schule besucht und sprechen wenig Französisch.

Frauen einer Agrarkooperative öffnen Kakaoschoten auf einer Farm in der Elfenbeinküste.

Fairtrade schreibt für Angestellte und Arbeiter einen Mindestlohn und faire Arbeitsbedingungen vor. „Für Angestellte in den Genossenschaften werden diese Bedingungen auch durchgesetzt“, sagt Meemken. Dort gebe es regelmäßige Überprüfungen. „Die Löhne und Arbeitsbedingungen auf Tausenden kleiner Farmen zu kontrollieren ist aufwendig und wird deswegen kaum gemacht.“ Die meisten Farm-Arbeiter haben laut der Studie nur mündliche Verträge und bekommen oft keinen regulären Lohn. „Hier müssen bessere Lösungen gefunden werden, um dem Fairnessanspruch umfassender gerecht zu werden“, fordert Meemken.

Die meiste Schokolade wird ohne Fairtrade-Siegel verkauft

„Wir haben vor 2018 schon eine Analyse veröffentlicht, in der wir sagen, dass die Situation dramatisch ist“, räumt Fairtrade-Vorstandsmitglied Claudia Brück ein. Die Analyse stimme mit der Studie überein, dass es den Kleinbauern mit Fairtrade-Zertifizierung besser gehe. „Wir teilen aber auch die Kritik, dass es Lohnarbeitern besser gehen sollte.“ Seit 2017 sei der Kakaopreis jedoch so stark eingebrochen, dass die Hälfte der Kleinbauern selbst am oder unter dem Existenzminimum lebe. „Sie geben weiter, was sie können“, beteuert Brück. „Die Studienautoren beachten diese Marktentwicklung zu wenig.“ Fairtrade wolle mit einer Erhöhung der Preise und Prämien die Situation weiter verbessern.

„Ende 2018 haben wir den Mindestpreis für Kakao und die Prämie jeweils um 20 Prozent hochgesetzt“, sagt Brück. Ein Großteil der Mitgliedsbauern könne jedoch nur 35 Prozent ihrer Ernte über Fairtrade verkaufen, weil die Nachfrage nach Schokolade mit diesem Siegel weltweit nicht hoch genug sei. „Unsere Wirkung wäre größer, wenn wir mehr Kakao-Produkte mit dem Fairtrade-Siegel verkaufen könnten“, betont Brück. „Wir haben nur zehn Prozent Marktanteil auf dem deutschen Markt. Die meisten großen Schokoladenhersteller verschließen sich der Diskussion um höhere Preise für die Erzeuger.“

Menschenrechte an jedem Punkt der Lieferkette wahren

Evelyn Bahn, Referentin für Wirtschaft und Menschenrechte bei der entwicklungspolitischen Organisation Inkota, ist von den Ergebnissen der Studie ebenfalls nicht überrascht. Das Problem bestehe auch in anderen westafrikanischen Ländern. Während die Autoren der Studie davon ausgehen, dass die Kakaofarmer grundsätzlich in der Lage seien, höhere Löhne zu zahlen, bezweifelt Bahn dies: „Der Aufschlag, den die Bauern bekommen, ist zu gering. Sie leben selbst an der Armutsgrenze und können deshalb auch nichts an die Arbeiter weitergeben“, sagt sie. „Viele können sich Arbeiter nicht mal leisten. Deshalb ist Kinderarbeit im Kakaoanbau weit verbreitet.“ Inkota setze sich für ein Lieferkettengesetz ein, das die Wahrung der Menschenrechte für europäische Unternehmen aller Branchen in der gesamten Handelskette zur Pflicht macht und Verstöße mit Bußgeldern belegt.

Auf etwas ganz anderes setzen Ghana und die Elfenbeinküste, die zusammen den Großteil des weltweiten Kakaos produzieren: Sie wollen nach einen Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ (2. Juli) ihre Ernten künftig gemeinsam vermarkten und den Preis mitbestimmen, anstatt dies allein dem Weltmarkt mit seinen Spekulanten zu überlassen. (dpa)

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