Thursday, 28th March 2024
28 März 2024

Trotz Sanktionen: Deutsche Wirtschaft erfolgreich in Russland

Deutsche Unternehmen, die in Russland engagiert sind, verlieren durch die gegen das Land verhängten Sanktionen Geld. Aber trotz schwieriger Rahmenbedingungen dominiert der Optimismus. Aus Moskau Miodrag Soric.

Eröffnung einer Mercedes Benz-Fabrik bei Moskau im April 2019

Die Politik solle sich stärker in Russland engagieren, damit nicht China oder Japan deutsche Exportunternehmen verdrängten. Das forderten der Präsident der Außenhandelskammer (AHK) Rainer Seele sowie der Vorstandschef der AHK in Moskau, Matthias Schepp.

Beide präsentierten die Ergebnisse einer Umfrage der Kammer unter ihren Mitgliedern. 141 Unternehmen mit deutscher Beteiligung nahmen daran teil. Danach bleibt Russland ein schwieriger Markt. Weniger als ein Drittel der Befragten beurteilen die allgemeine Entwicklung in Russland ‚positiv‘ beziehungsweise ‚leicht positiv‘. Das habe mehrere Gründe.

Präsentation der AHK-Umfrage in Moskau mit Rainer Seele (Mitte) und Matthias Schepp (links)

Russland in der Sanktionszange

Die Geschäftstätigkeit beeinträchtigen vor allem die Sanktionen durch die EU und die USA. Wobei Schepp differenzierte zwischen den aus seiner Sicht „präzisen und klaren“ Sanktionen der Europäer und den eher „wagen Sanktionen der Amerikaner“. Die EU wolle das Verhalten des Kremls in der Ukrainepolitik ändern, meint Schepp. Die Amerikaner würden eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen. Als Beispiel nannte er das Bestreben Washingtons, Flüssiggas aus den USA auf dem EU-Markt zu vertreiben. Das erkläre, weshalb das Weiße Haus gegen die Erweiterung der Nordstream-Pipeline wettere, die zusätzliches Gas aus Russland nach Europa liefern soll.

„Washington will Russland in die Knie zwingen“, meint Schepp. Das sei der falsche Weg. Die AHK-Umfrage belege: Durch die Sanktionen verlören deutsche Unternehmen über eine Milliarde Euro im Jahr.

Im Gespräch mit der DW befürwortete der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, die Sanktionen. Sie seien kein Selbstzweck. „Sie waren die richtige Antwort der Europäischen Union auf die völkerrechtwidrige Annexion der Krim und dem Konflikt im Südosten der Ukraine, der weiterhin andauert. Sollte es allerdings überprüfbare Fortschritte bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen geben, dann sollten wir gemeinsam mit unseren EU-Partnern den Einstieg in den Ausstieg aus den Sanktionen beginnen.“

Arbeiten an der Nordstream-Pipeline

Russlands Wirtschaft in schlechtem Zustand

Schepp und Seele beklagten in Moskau die schwache Konjunktur in Russland. Derzeit liegen dazu unterschiedliche Zahlen vor. Im besten Fall beträgt Russlands Wachstum 1,3 Prozent. Es gibt aber auch Schätzungen, die deutlich darunter liegen, gar von Rezession sprechen. Russland müsste um drei bis vier Prozent wachsen, um den Anschluss an die Weltwirtschaft nicht ganz zu verlieren. Nach dem Einmarsch in die Ukraine 2014 schwächelt die Wirtschaft. Sie leidet, auch das ergab die Umfrage der AHK, unter zu viel Bürokratie und Korruption. Schepp warnte vor protektionistische Tendenzen in Moskau. „Wir halten nichts von einer Rückkehr zur Planwirtschaft“, sagte er überspitzt. Russlands Unternehmen und die Russen selbst „sollten sich mehr Marktwirtschaft zutrauen“.

Die Verhaftung des US-Investors Michael Calvey sei ein „harter Schlag“ gegen das Investitionsklima in Russland gewesen, beklagte der AHK-Chef. Er bedauerte, dass die Festnahme nicht von der regulären Polizei, sondern von den Geheimdiensten vorgenommen worden sei. Calvey hatte in der Vergangenheit stets für ein stärkeres Engagement des Auslands in Russland geworben. Das ausgerechnet er festgenommen wurde, hat zur Folge, dass sich andere Investoren inzwischen fragten: „Wenn dies Calvey zustößt, kann mir das auch passieren“, so Schepp.

Streitfall Nordstream 2

Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen wächst die deutsche Wirtschaft in Russland. „Die deutsche Wirtschaft hat ein großes Interesse am russischen Markt“, erklärte Rainer Seele. Viele Unternehmen rechnen damit, Umsatz und Gewinn weiter zu steigern. 39 Prozent wollen laut AHK-Umfrage in nächster Zeit in Russland investieren. 29 Prozent wollen ihre Aktivitäten weiter ausbauen. Fast alle AHK-Mitglieder sprechen sich für die baldige Fertigstellung des zweiten Strangs der Ostseepipeline Nordstream 2 aus. 60 Prozent des Projekts seien bereits fertig gestellt. Sollten die Amerikaner das Projekt mit weiteren Sanktionen belegen, könnte den Bau im schlimmsten Fall der russische Energiekonzern Gazprom alleine fertig stellen, schätzt Rainer Seele. Mit anderen Worten: Das Projekt ist eigentlich nicht mehr zu stoppen. Gegnern der Pipeline in den USA, in Polen oder in der Ukraine unterstellt Seele, eigene wirtschaftliche Interessen zu verfolgen.

Engagiert sich für bessere Wirtschaftsbeziehungen zu Russland: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (rechts), hier mit Maxim Oreschkin, Minister für wirtschaftliche Entwicklung Russlands

Am Ende lobten Seele und Schepp das Engagement von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier. Innerhalb eines Jahres sei er vier Mal in Russland gewesen. Die AHK-Mitglieder wünschten sich eine stärkere Präsenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Russland. Laut der Umfrage befürworten 87 Prozent der befragten Unternehmen, dass die Kanzlerin öfter an internationalen Wirtschaftsforen in Russland teilnimmt. Viele Firmen befürchten, dass chinesische oder japanische Unternehmen deutsche Firmen vom russischen Markt verdrängen könnten. Sie erhoffen sich mehr Unterstützung durch ein die Politik in Berlin.

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