Friday, 29th March 2024
29 März 2024

Merkel macht Kohleausstieg zur Chefsache

Kohleenergie soll in Deutschland keine Zukunft haben. Doch wann genau soll Schluss sein? Darüber wird seit längerem erbittert gestritten. Zu lange, findet die Bundeskanzlerin. Aus Berlin Sabine Kinkartz.

Ein langer Abend im Kanzleramt: Beim Kohleausstieg gibt es noch viele ungeklärte Fragen

Vier Ministerpräsidenten, vier Bundesminister und die vier Vorsitzenden der von der Regierung eingesetzten Kommission, die einen Fahrplan für den Kohleausstieg erarbeiten soll, hatte Angela Merkel zum Abendessen eingeladen. Während draußen vor dem Kanzleramt Klimaschützer für einen schnelleren Kohleausstieg trommelten, wurde drinnen groß debattiert. Wann, wo und in welcher Reihenfolge sollen Kohle-Kraftwerke geschlossen werden? Wie lange soll in Deutschland noch Braunkohle abgebaut werden und was wird es kosten, in den Tagebauregionen neue Jobs zu schaffen?

Fragen, die bereits im Dezember geklärt sein sollten. Stattdessen wird immer noch heftig gestritten. Klar ist: Nach dem Ende des Steinkohlebergbaus ist auch der Braunkohletagebau ein Auslaufmodell. Noch gibt es ihn in Nordrhein-Westfalen und in den ostdeutschen Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Derzeit wird knapp ein Viertel des Stroms in Deutschland aus Braunkohle gewonnen. Rechnet man die Steinkohlemeiler dazu, ist es sogar mehr als ein Drittel. Doch dabei entsteht vergleichsweise viel klimaschädliches CO2. Mit Blick auf die Klimabilanz ist das nicht mehr tragbar.

Die Kohle-Kommission soll es richten

Im Juni 2018 hat die Bundesregierung eine Kommission eingesetzt, die einen Fahrplan für den Ausstieg aus der Kohleenergie erarbeiten soll. „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ heißt das Gremium offiziell und weist damit darauf hin, dass es für die Politik vor allem auch darum geht, die regionalwirtschaftlichen Folgen des Ausstiegs abzufedern. „Es geht nicht darum, als Erstes irgendwelche Ausstiegsdaten zu beschließen, sondern es geht darum, Menschen Hoffnung zu geben, Zukunft zu geben, Strukturwandel wirklich vorzubereiten“, mahnte die Bundeskanzlerin im November vergangenen Jahres.

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Da hatte die Kommission gerade erste Vorschläge gemacht und die drehten sich tatsächlich vor allem um Ausstiegsdaten. Bis 2022 sollten danach die ersten Kohlekraftwerke stillgelegt werden. Sowohl Steinkohle- als auch Braunkohlemeiler, aber alle im Westen der Republik. Bis 2030 sollte das Gros der verbleibenden Kraftwerke folgen, anschließend die Braunkohlereviere im Osten der Republik. Dort sollte 2035 Schluss sein.

Die Fronten sind verhärtet

Umgehend gab es Streit. Während es Umweltschützern nicht schnell genug geht, warnen Wirtschaftsverbände vor übereilten Schließungen, steigenden Strompreisen und somit Milliardenkosten. Politiker in den betroffenen Regionen und Gewerkschaften sorgen sich hingegen um das Schicksal der betroffenen Arbeitnehmer. Knapp 21.000 Jobs sind direkt betroffen, dazu kommen Zehntausende Arbeitsplätze im Umfeld des Tagebaus.

Was in der alten Bundesrepublik die Steinkohle war, das war in der DDR die Braunkohle. Allein in der Lausitz waren 80.000 Menschen im Tagebau beschäftigt. Heute sind es noch 8000. Sie wollen nicht auch noch ihre Arbeitsplätze verlieren, zumal die Lausitz heute das ist, was man strukturschwach nennt. Nennenswerte Wirtschaftskraft hat die Region nicht.

Die Braunkohle ist, wie hier im Nordosten Sachsens, ein echter Wirtschaftsfaktor

Was kommt nach der Kohle?

Ähnlich sieht es im mitteldeutschen Revier aus. Kein Wunder, dass sich die ostdeutschen Ministerpräsidenten vehement gegen einen schnellen Ausstieg aus der Braunkohle wehren. „Noch einen zweiten radikalen Strukturwandel mit hoher Arbeitslosigkeit wie nach der Wende kann man den Menschen nicht zumuten“, sagt der CDU-Politiker und Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, und weiß dabei seine Kollegen aus Brandenburg und Sachsen, Dietmar Woidke (SPD) und Michael Kretschmer (CDU) auf seiner Seite.

Eine Studie des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) gibt den Ministerpräsidenten Recht. Das Kohle-Aus werde für alle betroffenen Reviere „spürbare wirtschaftliche Folgen“ haben, vor allem aber die Lausitz hart treffen, so IWH-Vize-Präsident Oliver Holtemöller. Die Arbeitslosenquote werde dort stärker als in den anderen Revieren steigen und der durchschnittliche Bruttolohn am deutlichsten sinken. Bis zu 2500 Menschen könnten wegen besserer Jobaussichten aus der Lausitz wegziehen.

Düstere Aussichten im Osten

Die Modellrechnung aus Halle geht von einem Ausstieg bis zum Jahr 2035 aus. Dieses Schlussdatum wird auch von einer Mehrheit in der Kohlekommission präferiert. Woidke, Haseloff und Kretschmer bestehen hingegen darauf, den Ausstieg im Osten nicht vor 2040 enden zu lassen. Dann laufen ohnehin die meisten Genehmigungen für die Braunkohleförderung aus.

Deutschlands größtes Braunkohlekraftwerk steht in der Lausitz

Die politischen und wirtschaftlichen Bedenken der Ministerpräsidenten finden bei der Bundeskanzlerin durchaus ein offenes Ohr. Bund und Länder eint der sorgenvolle Blick auf den Herbst, wenn in Sachsen und Brandenburg Landtagswahlen stattfinden. In beiden Ländern ist die AfD sehr stark. Der Kohleausstieg und seine Folgen dürfte ein heißes Wahlkampfthema werden, da die Rechtspopulisten darauf drängen, so lange Kohle zu fördern und zu nutzen, wie Vorkommen da sind.

60 Milliarden Euro für neue Jobs

Um alternative Perspektiven für die Zukunft aufzeigen zu können, fordern die Ministerpräsidenten hohe finanzielle Ausgleichszahlungen. 60 Milliarden Euro sollen für den Aufbau einer neuen Infrastruktur und neue Jobs in die Länder fließen. Nicht überraschend also, dass beim Abendessen im Kanzleramt der Bundesfinanzminister mit am Tisch saß. Olaf Scholz und seine Kasse sind beim Kohleausstieg ohnehin stark gefragt. Denn auch die Energieerzeuger werden ihre Kraftwerke nicht ohne finanziellen Ausgleich schließen. In der Kohlekommission geht man davon aus, dass pro stillgelegtem Megawatt Leistung 600.000 Euro Entschädigung anfallen werden. Insgesamt ist von rund drei Milliarden Euro die Rede.

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