Friday, 19th April 2024
19 April 2024

Jahrzehntelanger Kampf um Akzeptanz

Vor 40 Jahren versprach die DDR Vertragsarbeitern aus Afrika eine gute Ausbildung und Jobs. Doch für viele sah die Realität anders aus. Zwei Geschichten über falsche Versprechungen, Erfolg und den Kampf gegen Rassismus.

Ibraimo Alberto kam 1981 als Vertragsarbeiter in die DDR – und lebt auch heute noch in Deutschland

„Man muss sehr geduldig und tolerant sein und sich aktiv in die deutsche Gesellschaft einbringen“ – diesen Tipp gibt Sozialarbeiter Ibraimo Alberto Menschen, die neu nach Deutschland kommen. Dabei hat er hier selbst immer wieder Ungeduld, Intoleranz und Rassismus erleben müssen, in den fast 38 Jahren, die er nun schon in Deutschland lebt.

Falsche Versprechungen

In seinem Heimatland Mosambik würde Alberto zu den „Madgermanes“ zählen – eine Wortschöpfung aus „Mad German“ und „Made in Germany“. „Madgermanes“, das sind die ehemaligen mosambikanischen Vertragsarbeiter. Alberto war einer von ihnen, einer von mehr als 16.000. Weil der DDR Ende der 1970er Jahre Arbeitskräfte fehlten und den jungen Menschen in Mosambik Perspektiven, schlossen die beiden sozialistischen Regierungen ein Abkommen: Mosambik schickte Tausende junge Männer und Frauen in die damalige DDR. Dort sollten sie eine gute Ausbildung bekommen, Berufserfahrung sammeln, um dann später am Aufbau ihres Heimatlandes mitzuwirken. Dabei sollten 40 Prozent des Lohns sofort ausgezahlt werden – 60 Prozent bekam zunächst die mosambikanische Regierung. Nach ihrer Rückkehr nach Mosambik sollten die Vertragsarbeiter den Rest ausgezahlt bekommen.

Doch statt einer guten Ausbildung bekamen die meisten Mosambikaner einfache Hilfsarbeiten auferlegt, zu billigen Löhnen. Alberto landete im Fleischkombinat Berlin, musste Schweine zerteilen und ausnehmen. Und statt sich willkommen zu fühlen, erfuhr er immer wieder Rassismus und Fremdenfeindlichkeit am eigenen Leib.

Als Boxer verspottet

Neben seiner Arbeit in der Fabrik hatte der junge Mann angefangen zu boxen, nahm erfolgreich an Wettkämpfen im ganzen Land teil. Doch in Städten wie Dresden, Magdeburg oder Weimar wurde er im Ring vom Publikum verspottet. „Hast du Angst vor diesem Affen?“ „Du kannst nicht von diesem Affen geschlagen werden.“ „Der Affe ist nur in den Bäumen Afrikas stark, wo er herkommt“ – typische Beleidigungen, die Alberto über sich ergehen lassen musste.

Alberto ist ein Kämpfer – nicht nur beim Boxen

So wie Alberto erging es damals vielen Vertragsarbeitern – Menschen aus sozialistischen „Bruderländern“, mit denen die DDR ebenfalls Abkommen zur Ausbildung und Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte schloss. Mehr als 90.000 Vertragsarbeiter waren bis zur Wende in der DDR beschäftigt – die meisten kamen aus Vietnam und Polen, aber auch aus Ungarn, Kuba, Angola oder eben Mosambik.

Nach dem Fall der Mauer 1989 mussten die meisten in ihre Heimatländer zurückkehren. Auch den jungen Arbeitern aus Mosambik wurde die Aufenthaltsgenehmigung nur in Ausnahmefällen verlängert.

Alberto durfte bleiben. Doch die Spannungen zwischen Einheimischen und Arbeitsmigranten wurden stärker, denn Ausländer wurden zunehmend als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt angesehen und zur Projektionsfläche von Angst und Wut. Alberto fing damals an, sich gegen den wachsenden Fremdenhass zu engagieren. In den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung habe es deutlich mehr rassistische Gewalt gegeben als vor der Wende, sagt Alberto der DW. „Menschen, die ausländisch aussahen, wurden auf der Straße ermordet, geschubst, beleidigt und nicht in Restaurants gelassen“, erinnert sich der heute Mitte-50-Jährige. „Die Situation wurde immer schlimmer“.

Wahlurne statt Boxring

Doch Alberto wollte sich nicht entmutigen lassen und wurde politisch aktiv. Sein Ziel war es, die NPD zu bekämpfen – nicht im Boxring, sondern an der Wahlurne. „Ich sah, wie diese Rassisten Gewinne erzielten. Also versuchte ich, zu reagieren, indem ich mit ihnen redete und eine gemeinsame Basis fand, um die Probleme zu entschärfen“. Alberto wurde in die Stadtverordnetenversammlung von Schwedt gewählt. Die Stadt kurz vor den polnischen Grenze beschäftigte ihn als Ausländerbeauftragten. 2008 wurde Alberto als „Botschafter für Demokratie und Toleranz“ ausgezeichnet. Heute arbeitet er in einem Flüchtlingshilfeverein. Im Jahr 2014 veröffentlichte er seine Autobiografie, in der er seine Erfahrungen schildert. „Ich wollte leben wie die Götter“ heißt sein Buch.

Alberto ist stolz auf das, was er erreicht hat, doch er bedauert, dass er sich nie ganz von seiner Heimat lösen konnte. Noch heute sind seine Verwandten in Mosambik auf das Geld angewiesen, das er hinschickt. „Ich halte hier durch, um meine Familie in Mosambik zu unterstützen“, sagt er. 

Die meisten Vertragsarbeiter aus Mosambik, die nach dem Ende der DDR in ihre Heimat zurückgekehrt waren – in ein vom Bürgerkrieg zerfallenes Land – sahen nie mehr etwas von den noch ausstehenden Löhnen. Sie warten seit mehr als 20 Jahren darauf, dass die mosambikanische Regierung die einbehaltenen 60 Prozent ihrer Gehälter auszahlt. In ihrer Heimat schlagen sie sich mit Gelegenheitsjobs durch, eine richtige Anstellung zu finden ist schwer. Die „Madgermanes“ gelten als Störenfriede, weil sie nach wie vor die Lohnauszahlung fordern. Von ihrem ursprünglichen Plan, nach der Zeit in der DDR als gut ausgebildete Arbeitskräfte das Land mitaufzubauen und finanziell abgesichert zu sein – davon ist nicht viel übrig geblieben.

Auch Zeca Schall kämpft gegen Rassismus

Zwischen Angola und der DDR entstand 1985 ebenfalls ein Abkommen zur Ausbildung und Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte. Für Zeca Schall lief es damals besser. Er kam 1988 nach Deutschland, wurde in Thüringen zum Zerspanungsmechaniker ausgebildet. „Die Ausbildung lief gut, genauso wie meine berufliche Karriere, alles war gut“, erinnert er sich. „Ich bin sehr zufrieden. Von meiner Seite aus ist die Bilanz sehr positiv“, sagt er der DW. Und das, obwohl auch er Fremdenhass aushalten musste.

Zeca Schall fühlt sich in Deutschland wohl – trotz der Anfeindungen, die er erleben musste

Schall heiratete in Deutschland, nahm 2004 den Nachnamen seiner Frau an und beantragte erfolgreich die deutsche Staatsbürgerschaft. Im selben Jahr trat er der CDU bei. Sein Ziel: Ausländern bei der Integration zu helfen.

Vier Jahre später wurde Schall in den Kreistag von Hildburghausen gewählt. Im Zuge des Landtagswahlkampfes in Nordrhein-Westfalen 2009 nahm ihn die NPD ins Visier. Mitglieder der Partei verhöhnten Schall mit rassistischen Äußerungen, forderten ihn auf, nach Angola zurückzukehren. In dieser Zeit erhielt Schall Polizeischutz. „Das war sehr schwer für mich. Aber ich hatte viel nationale und internationale Unterstützung, auch von meiner Partei. Wir haben diese Gruppe von Extremisten vor Gericht gebracht und hatten Erfolg“, sagt Schall.

Auch Angolaner warten auf ihre Gehälter

Der Deutsch-Angolaner hat den Kampf gegen Rassismus nie aufgegeben. „Wir werden immer Wege finden, Extremisten zu stoppen, die gegen Ausländer, gegen Immigranten sind. Denn sie zerstören meine deutsche Gesellschaft“, so Schall. „Es schadet dem Wohlbefinden von Ausländern in unserem Land, und wir werden das nicht akzeptieren.“

Auf dem Wahlplakat der Thüringer CDU bei der Landtagswahl 2009 war auch Zeca Schall abgebildet

Ähnlich wie die Vertragsarbeiter aus Mosambik warten aber auch die Männer und Frauen aus Angola zum Teil bis heute auf den Großteil ihrer Löhne aus DDR-Zeiten. Sie fordern die Regierung in Angola auf, die Gehälter auszuzahlen, der Fall ist derzeit vor Gericht. „Schall sieht gute Chancen für ein Urteil zugunsten der Arbeiter. „Die Behörden haben zugegeben, dass das Geld abgezweigt wurde, und wir kämpfen dafür, dass die Regierung es zurückgibt.“ Dass es so lange dauert, dieses Kapitel abzuschließen, macht Schall und viele andere Angolaner in Deutschland wütend. Sie wollen den Druck weiter erhöhen, damit endlich eine Lösung zustande kommt.

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