Wednesday, 24th April 2024
24 April 2024

Die Lehren des 8. Spieltags: FC Bayern kontert Fake News, BVB ist spitze

Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß.

Von Judith Günther, Christoph Rieke und Christoph Wolf


Am 8. Bundesliga-Spieltag spielt der FC Bayern endlich wieder Fußball, die Konkurrenz aus Dortmund allerdings auch. Bayer leidet indes am SPD-Syndrom, Frankfurts Jovic ist so gut wie Gerd Müller – und die AfD „nicht wählbar.“

Die Dominanz des FC Bayern schwindet

Die Krise des FC Bayern ist vorbei. Die Münchner haben an diesem 8. Spieltag der Fußball-Bundesliga den VfL Wolfsburg mit 3:1 geschlagen und wären aktuell wieder für die Champions League qualifiziert (sollten sie das durch den Gewinn der Königsklasse nicht ohnehin kuvertieren). Allerdings wäre da ja noch die Frage zu klären: Welche Krise? Aus Sicht der Bayern-Alphatiere Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge läuft im eigenen Hause alles bestens, alles andere sind Fake News und keine hausgemachten sondern nicht existente Probleme. Wer sich noch weiter mit der bajuwarischen Exegese des Grundgesetzes auseinandersetzen will, klickt bitte hier – ansonsten würden wir uns dann mal, ganz im Sinne von Bayern-Coach Niko Kovac, dem Sportlichen zuwenden. Fakt und kein fake ist, dass der Sieg gegen die Wolfsburger Elf ein bedeutsamer war, allerdings taugte der Auftritt der Kovac-Elf kaum als Wendepunkt in der nicht vorhandenen Krise. Der war nämlich im Vergleich zur Pressekonferenz am Freitag eher unspektakulär: phasenweise gut, zwischendurch mal sehr gut, eine "runde Leistung", wie Kovac befand.

Der Abstand zu der Dortmunder Borussia auf dem für den FC Bayern reservierten Spitzenplatz in der Tabelle ist allerdings gleich geblieben – daran konnten weder die Schimpftiraden noch der Dreier gegen den VfL etwas ändern. Das mag eine Momentaufnahme sein. Die ändert jedoch nichts an folgender Feststellung: Die Dominanz des deutschen Rekordmeisters im nationalen Wettbewerb flaut ab, mindestens die Konkurrenz vom BVB wird sich nicht so Mia-san-mia-nichts in die Schranken weisen lassen. Ja, das verspricht mehr Spannung im Titelrennen als in den letzten sechs Jahren zusammengenommen. Und das sind doch endlich einmal gute Nachrichten.

Borussia Dortmund optimiert sich selbst

Der BVB ist da wo er hin will: Ganz oben.

Das war wirklich eine ganz enge Kiste. Das wollte zumindest Lucien Favre der Öffentlichkeit weismachen, nachdem seine Dortmunder den VfB Stuttgart mit 4:0 vom Platz gefegt hatten. "Die zweite Halbzeit war gut, aber nicht so gut. Wir haben etwas Mühe gehabt", sagte der BVB-Trainer. "Wenn sie ein Tor machen, weiß ich nicht, was passiert." Nun ja. Wir wissen nicht, wohin das Spiel der Borussia noch führen soll. Bislang hat der Tabellenführer 27 Tore erzielt – so viele wie noch nie nach einem 8. Bundesliga-Spieltag. Mehr noch: Bei den Dortmundern darf jeder mal ran, die Treffer steuerten 14 verschiedene Spieler bei. Während andernorts über die Auslegung von Artikel 1 des Grundgesetzes philosophiert wird, perfektioniert Favre das Offensivspiel seiner Kicker – von Innenverteidiger Akanji bis hin zu Ober-Torfabrikant Alcácer, alle machen mit und scheinen jede Menge Spaß zu haben.

Auch wenn es ein bisschen gedauert hat – worauf der Trainer übrigens seit Amtsantritt gebetsmühlenartig hingewiesen hat – mittlerweile ist Favres Plan deutlich zu erkennen, die Rädchen greifen ineinander und der BVB präsentiert sich immer mehr wie die gut geölte Maschine, die dem akribischen Schweizer vorzuschweben scheint. Neben dem wuchtigen Angriff hat mittlerweile auch die Abwehr ihre Schwächen überwunden, und wenn die Verteidiger doch einmal patzen, ist da meist noch der grandios aufspielende Keeper Roman Bürki. Aber: Auch bei der Selbstoptimierung verschriebenen BVB gibt es immer was zu verbessern. Und so mahnte Kapitän und Torschütze Marco Reus nach dem Spiel die Mängel im eigenen System an. Dabei wirkte es aber eher so, als würde er sich auf die Arbeit mit seinem erklärten Lieblingstrainer freuen. Man schon jetzt dem Gigantengipfel gegen München im November entgegenfiebere, so viel steht fest.

Jovic-Gala bringt Frankfurt vorerst nichts

Ja, was ist denn bei der Eintracht los? Nach der Länderspielpause machte die Frankfurter SGE genau damit weiter, womit sie vor zwei Wochen aufgehört hat: Mit Siegen. Und wie. Gegen Fortuna Düsseldorf spielten sich die Hessen derart in den Rausch, dass die Ouvertüre der Operette "Leichte Kavallerie" von Franz von Suppé stolze sieben Mal im Frankfurter Stadion erklang. Schweres Geschütz hatten die Hessen beim 7:1-Kantersieg gegen die überforderten Rheinländer allerdings nicht nötig. Ihnen genügte Luka Jovic im Aufgebot – und der traf gegen die Fortuna, wie ihm beliebte. Fünf Mal. Damit steht der Serbe nun in einer Reihe mit Bundesligastars wie Gerd Müller, Jupp Heynckes, und Jürgen Klinsmann. Mit 20 Jahren und 300 Tagen ist Jovic zudem der jüngste Spieler der Bundesliga-Geschichte, der einen Fünferpack schnürte. "Solche Stürmer habe ich selten gesehen", lobte ihn sein Trainer Adi Hütter. "Mit Superlativen muss man immer aufpassen. Aber für mich hat er das Potenzial zum Weltklassestürmer".

Zumindest hat Jovic mit seinen bislang sieben Saisontreffern großen Anteil daran, dass die Eintracht mit 19 Toren den zweitbesten Angriff der Liga stellt. Dennoch rangiert der Pokalsieger trotz des vierten Pflichtspiel-Siegs in Folge unverändert auf Platz 7 – Tendenz steigend. Hat da jemand vor der Saison etwas von Leistungsabfall oder gar Abstiegskampf orakelt?

Bayer ist die SPD der Liga

Was haben Bayer Leverkusen und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands gemeinsam? Nun, bei beiden ist der Absturz in die Bedeutungslosigkeit nicht mehr wegzumoderieren, das K-Wort macht die Runde und es stellt sich die Frage nach der Qualifikation der Führungskräfte. Weil die politische Karriere von Andrea Nahles und Pferde-Kreis-Diskussionen hier aber nichts zu suchen haben, richten wir den Fokus auf Trainer Heiko Herrlich und seine Werkself, bei der man sich fragen muss: Was ist da eigentlich schiefgelaufen? Die Mannschaft bringt vieles mit, was sie als Spitzenmannschaft klassifizieren sollte: Beispielsweise einen Kader, der mit grandiosen Talenten wie Kai Havertz oder mit gestandenen Bundesliga-Profis wie den Bender-Zwillingen gespickt ist. Das Spiel gegen Hannover 96 sollte sowas wie ein Neustart werden, offenbarte allerdings die massiven Probleme. Leverkusen wirkt profillos, hat wieder Angst vor Elfmetern, das Thema Champions-League-Qualifikation ist schon jetzt in weite Ferne gerückt. Bei den Fans herrscht ohnehin Frust pur, Rufe nach dem Rauswurf des Trainers sind schon längst nicht mehr nur unterschwellig zu vernehmen.

Und Kapitän Lars Bender bewarb sich darum, unsere Sprüche-Bilderserie zum 8. Spieltag ganz allein zu füllen. Er übte nach dem 2:2 am Samstag harsche Kritik an der Leistung des Teams, spielerisches Selbstverständnis sucht man bei ihm und seinen Kollegen vergeblich. Es fehlt einer, der glaubthaft den Eindruck vermitteln, Bayer den Weg aus dem Tabellenkeller weisen zu können. Wenig überzeugend wirken jedenfalls die Erklärungen von Herrlich, der die Kritik an seiner Person "völlig berechtigt" findet. Seinen Job darf er dennoch behalten – vorerst. Denn wenn Sportdirektor Rudi Völler sagt: "In Zürich, in Bremen und auch in Gladbach müssen wir nun aber auch mal liefern", dann klingt das schon ein klitzekleines bisschen wie ein Ultimatum.

Was ist grün und strotzt vor Mut?

Ganz, ganz Großes wurde dem VfB Stuttgart vor dieser Saison in absoluten Fußball-Fachmedien zugetraut und zumindest in einer Kategorie haben die Schwaben ja tatsächlich schon Bundesliga-Maßstäbe gesetzt: Schneller als beim VfB flog in dieser Spielzeit kein Trainer. Und dann? Erstes Spiel unter dem Neucoach, erste Heimklatsche. Lief also nicht so richtig gut für den VfB und Markus Weinzierl. Vom potenziell drittschönsten Trainerdebüt war der einst zum drittschönsten Trainer in Deutschland gekürte Weinzierl leider doch erschütternd weit entfernt.

Daraus nun eine Rauswurf-Warnung für alle potenziell trainerwechselwilligen Bundesliga-Kellerkonkurrenten abzuleiten (also zum Beispiel für Schalker, Leverkusener und Wolfsburger) wäre selbstredend verfrüht. Erstens ist neben Peter Neururer jetzt auch Tayfun Korkut wieder als Super-Retter verfügbar. Und zweitens mischt Florian Kohfeldt auch noch mit. Der wurde von Werder Bremen im Herbst 2017 mitten in der jährlichen Abstiegsnot zum Chefcoach befördert – und geht mit seinen 36 Jahren inzwischen als Paradebeispiel für den Trainertypus "Junger Notcoach formt Krisenkellerklub zum Europa-Anwärter" durch. Denn unter Kohfeldt ist "Mut" die zentrale Fußballvokabel in Bremen und die internationalen Wettbewerbe plötzlich wieder das erklärte Ziel, wie die "Taz" nach Werders lässig-effizientem 2:0-Sieg auf Schalke und dem nun hochoffiziell besten Saisonstart seit 13 Jahren minimal schwärmerisch befand. Als großer Kohfeldt-Fan outete sich auch Deutschlands Blitzlichtgestalt Lothar Matthäus, der im Bezahlfernsehen wortreich lobte. Die Essenz seiner Kohfeldt-Hymne: "Es macht Spaß, dieser Mannschaft zuzuschauen." Stimmt. Mitunter bringen Trainerwechsel also doch was.

Die Liga bekennt sich weiter

Sicher, gewedelt wird mit dem Grundgesetz in der Fußball-Bundesliga durchaus. Generell gilt aber: Fußball und Politik, puh, ganz heikles Thema. Beispielhaft dafür: Der Umgang mit der AfD. Zwar stellte Frankfurts Präsident Peter Fischer schon im Dezember 2017 in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" fest: "Es kann niemand bei uns Mitglied sein, der diese Partei wählt, in der es rassistische und menschenverachtende Tendenzen gibt." Zwar räumte kürzlich auch Bremens Präsident Hubertus Hess-Grunewald mit der Mär vom politikfreien Stadion auf und stellte fest: "Es ist ein Widerspruch, Werder gut zu finden und die AfD zu wählen" Die "Taz" befragte daraufhin die übrigen Erstligisten: "Ist es ein Widerspruch, Ihren Verein gut zu finden und die AfD zu wählen?" und kam zu dem Schluss: "Die Liga bekennt sich".

Das tat auch Wolfsburgs Sportdirektor Jörg Schmadtke vor dem 8. Spieltag. Im Stadionheft schrieb er: "Wenn man die politischen Diskussionen verfolgt und gut zuhört, wenn AfD-Vertreter sich äußern, dann muss man sich über den großen Zuspruch sehr wundern. In meinen Augen ist diese Partei nicht wählbar." Statt mit Ausschluss zu drohen, warb Schmadtke für einen Dialog und eine "sachliche Auseinandersetzung" mit AfD-Sympathisanten, denn: "Letztlich steht es einem Klub nicht zu, an der Stadionkasse politische Meinungen auszusieben." Wobei er anmerkte, es käme "meiner eigenen politischen Gesinnung zwar sehr nah, dass man sagt: Mit denen wollen wir nichts zu tun haben."

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