Friday, 29th March 2024
29 März 2024

Und wie war David Bowie so als Mensch?

Die Retrospektive geht weiter: In der 800 Seiten dicken Biografie „Ein Leben“ schwärmen die Frauen und Freunde von David Bowie, dem Menschen. Doch was erfährt man von solchen Schilderungen wirklich? 0

Ein Leben nach dem Tod gibt es für alle, die als Götter auf den Schuttbergen der Postmoderne thronen. Zwischen Jimi Hendrix, Elvis Presley, Kurt Cobain und Tupac. Seit sie tot sind, haben sie mehr Platten als im Leben pressen lassen und verkauft, das ist im Paradies der Popkultur die Währung. David Bowie wird sie alle überflügeln. Nach dem Abschluss seines Lebenswerks mit „Blackstar“, seinem Requiem für sich selbst, im Januar 2016, läuft die ewige Retrospektive.

Eigentlich fing sie sogar schon an, als Bowie noch im Studio vom Sterben sang: „Five Years“, die Alben seiner ersten Jahre, wurden neu verpackt und editiert im Herbst 2015 auf den Markt gebracht. Im Jahr darauf erschien „Who Can I Be Now?“, seine Platten aus den mittleren Siebzigerjahren, wiederum ein Jahr danach „A New Career in Town“, seine Berliner Trilogie und seine Ankunft in den frühen Achtzigern.

Jetzt sind wir mitten in den schlimmen Achtzigern mit Bowie und „Let’s Dance“ und „China Girl“. „Loving the Alien“ heißt die Sammlung seiner größten musikalischen Erfolge – wenn man den Erfolg mit Geld aufwiegt. Damals war er der Thin White Duke der schwarzen Tanzmusik, was man ihm heute, im identitären Zeitalter, als kulturelle Aneignung vorhalten könnte. Macht man aber nicht, ist Bowie. Für ihn selbst war es seine „Phil-Collins-Phase“, die Epoche seiner unverschämten Hits, die kommerzielle Blüte.

Seit dem Tod an Leberkrebs befindet David Bowie sich in seiner Michael-Jackson-Phase: Alles wird verkauft. Vor allem aber geht es nicht mehr um die Summe sämtlicher Figuren, die er je gespielt hat und um den geliebten Alien, der er für die Menschheit war, sondern um ihn, den Menschen. Dazu gibt es nun das Buch. Es heißt „Ein Leben“, stammt von Dylan Jones, den man vielleicht von Magazinen wie „GQ“, „Face“ und „i-D“ kennt, und umfasst 800 Seiten.

Jones erzählt, wie er zum Abendessen der Auktion „Bowie/Collector“ eingeladen war, wo Bowies Kunstsammlung im Herbst 2016 zum Verkauf stand. Jedes Werk, schreibt er, eine Geschichte. Die Geschichten, die sein Buch zusammenträgt, sind aber weder die der Bilder, Plastiken und Möbel noch die eigenen von Dylan Jones. Es sind Erinnerungen anderer berühmter Lebender und Toter.

Stimmen für das Jenseits

Paul McCartney, Beatle: „Einmal haben wir abends zusammen gegessen, als wir gemeinsam im Skiurlaub waren. Es war ein toller Abend. Jetzt habe ich ein Foto von uns beiden auf dem Computer.“

Bono, Rocksänger: „Je menschlicher meine Helden sind, desto mehr verehre ich sie. Im Laufe der Jahre, in denen ich David als Person kennenlernte, wurde er für mich nur noch größer, anstatt zu schrumpfen. Das ist relativ ungewöhnlich, denke ich. Verstehen Sie, wenn man herausfindet, dass der eigene Held nicht unsterblich ist. Aber er ist sterblich, er raucht zu viele Zigaretten, er ist ein bisschen paranoid und ein bisschen zickig und lacht zu laut. Doch das macht ihn für mich nur noch großartiger.“

Angie Bowie, Ex-Frau: „Ich würde sagen, dass David ziemlich lange unter Sexsucht gelitten hat. Wir hatten eine offene Beziehung.“

David Bowies Privatsammlung begeistert bei Auktion Das Video konnte nicht abgespielt werden.
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Die Erlöse bei der Auktion von David Bowies Kunstsammlung haben alle Erwartungen weit übertroffen. Allein das Gemälde „Air Power“ des amerikanischen Künstlers Basquiat brachte acht Millionen Euro.

Tracy Emin, Künstlerin: „Ich war sehr überrascht davon, wie ungekünstelt er war. Er hatte einen wirklich kindischen, albernen Humor, und die Vorstellung, David sei äußerst cool gewesen, ist völlig unzutreffend.“

Amanda Lear, Muse: „Er war reizend. Aber ich muss sagen, dass er sehr viel Zeit auf seine Karriere verwendete. David führte ein sehr zurückgezogenes Leben. Tagsüber ging er nicht hinaus. Einkaufen oder essen gehen konnte man vergessen.“

Pete Townshend, Rockmusiker: „Bowie hatte einen alten Anzug herausgekramt, den er getragen hatte, als er noch jünger war. Er freute sich diebisch, mir in aller Ausführlichkeit erklären zu können, wie gut er ihm noch passte.“

Kate Moss, Model: „Sein Humor war großartig, und ich glaube, wir verstanden uns auf Anhieb so gut, weil wir beide aus Südlondon stammen. Ich glaube, dass viele Männer eine weibliche Seite haben, aber David schaffte es, sich davon nicht einschüchtern zu lassen.“

Lou Reed, Rockmusiker: „Er ist ausgesprochen klug.“

Damien Hirst, Künstler: „Ich erinnere mich daran, dass ich ihm riet, er solle in alter Kleidung kommen, aber dann stand er in ganz neuen, teuren Sachen vor der Tür meines Ateliers. Er sagte, er hätte keine alten Sachen, und es wäre ihm egal, wenn sein neuer Scheiß Farbe abbekäme. Das fand ich toll. Wir verbrachten viel Zeit miteinander und führten lange Gespräche darüber, was es heißt, ein Künstler zu sein.“

Martin Scorsese, Regisseur: „Er war eine Schönheit.“

Iggy Pop, Punk: „Er wunderte sich immer, was für ein Arsch ich war. David war weltgewandt.“

Tommy Hilfiger, Modemacher: „Weil er so ein starker Kettenraucher war, hätte ich gedacht, dass er an Lungenkrebs stirbt.“

Moby, Musiker und Nachbar: „Wir haben uns gegenseitig vom Balkon zugewinkt. Wenn ich zum Laden an der Ecke ging, um Sojamilch und Haferflocken zu holen, traf ich ihn dort mit Iman, während sie Orangen und Kaffee kauften. Irgendwann kam es einem normal vor, aber im Hinterkopf hatte ich immer die Tatsache präsent, dass David Bowie ein Halbgott war.“

Iman, Model und Witwe: „Ich erinnere mich daran, wie wir mal abends zum Essen ausgegangen sind und sich der Schnürsenkel meines Turnschuhs gelöst hatte. Und mitten auf der Straße kniete sich David hin, um mir den Knoten wieder zuzubinden.“

David Bailey, Fotograf: „Bowie versuchte verzweifelt, als Künstler Anerkennung zu bekommen, wobei seine Gemälde eigentlich gar nicht schlecht sind, sie sind besser als die von Paul McCartney.“

So soll er als Mensch gewesen sein. Damit er nicht zu gut dasteht, berichten schließlich auch noch eine Journalistin und ein Journalist davon, dass David Bowie Sex mit minderjährigen Groupies hatte, der so einvernehmlich war, wie Sex mit Groupies eben ist. Ihm näher stehende Menschen soll er noch schlechter behandelt haben. Dass er gern als Nazi auftrat, wie er mit der Wahl seiner Kostüme überhaupt gelegentlich danebenlag, und seine Lieder, vor allem Mitte der Achtziger, nicht die subtilsten waren, wusste man auch ohne Buch. Im Pop ist man nicht einfach tot, man muss als Gott ein Mensch sein.

Dylan Jones: „David Bowie – Ein Leben“. Rowohlt, 816 S., 38 €.

David Bowie: „Loving the Alien – 1983-1988“ (Parlophone)

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