Thursday, 25th April 2024
25 April 2024

Presseschau zur Hessen-Wahl: „Eine Flucht aus der GroKo ist keine Utopie“

Die Parteichefs der Groko: Steht die Koalition nach der Hessen-Wahl vor dem Aus? (Quelle: ZUMA Press/imago)

Was bedeutet das Ergebnis der Hessen-Wahl für die große Koalition in Berlin? Groko-Aus oder Alles-wie-immer? Die Presse ist gespalten. 

Auch bei der Landtagswahl in Hessen wird der Unmut über die große Koalition in Berlin sichtbar. Union und SPD stürzen ab, die Grünen erreichen wieder einmal Rekordwerte. Hat die Hessen-Wahl Konsequenzen für SPD-Chefin Andrea Nahles und Kanzlerin Angela Merkel? So sieht es die Presse. 

Die „Hannoversche Allgemeine“ schreibt zu den Folgen der hessischen Landtagswahl für die große Koalition: „Die Bundeskanzlerin wird über den Urnengang nicht stürzen, die SPD-Vorsitzende ebenso wenig. Die große Koalition in Berlin wird nicht zerbrechen – zumindest nicht an dieser Wahl. Und selbst die Regierungsbildung in Hessen wird nach Lage der Dinge denkbar unspektakulär vonstatten gehen: indem CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier weitermacht und sich zum Regieren einen oder notfalls zwei Koalitionspartner sucht. Die Revolution ist abgesagt – zumindest vorerst. Also alles gut? Mitnichten! Union und SPD sind dem Abgrund zwar nicht näher gekommen, sie haben sich aber auch nicht einen Zentimeter von ihm entfernt.“

Für die „Sächsische Zeitung“ aus Dresden ist es fast egal, wer Hessen künftig regiert: „Das Wahlergebnis ist ganz wesentlich ein Ergebnis der Berliner GroKo. Sie sollte Stabilität in einer ringsum instabileren Welt sichern. Stattdessen haben ihre Akteure weiter an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Sie haben natürlich nicht alles falsch gemacht. Das geht in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen gar nicht. Und jetzt? Wird man rasch sehen, ob die Volksparteien ihre eigene Lage auch so dramatisch sehen.“

Die „Augsburger Allgemeine“ glaubt nicht an einem Aufstand gegen CDU-Chefin Merkel – wohl aber bei der SDP: „Bei einem Machtverlust in Hessen wäre der Aufstand in der CDU gegen die Chefin noch vor dem Parteitag im Dezember ausgebrochen. Nun dürfte die Revolte vertagt sein. Größter Risikofaktor für Merkel wird die SPD, die wie zuvor in Bayern ein Debakel erlebt hat. Im Gegensatz zur Union ist den Sozialdemokraten jegliche Machtoption abhanden gekommen. Eine Panikreaktion und die Flucht aus der GroKo ist keine Utopie mehr.“

Für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat jetzt eine Partei Interesse an einem Aus der Groko in Berlin: „Größtes Interesse an vorzeitigen Neuwahlen haben die Grünen. Nach dem erneuten Triumph in Hessen und im derzeitigen Stimmungshoch lässt sich sagen: Grüner wird’s nicht in der Republik. Schwarz-Grün oder Jamaika unter Beteiligung der FDP mit einem dann vielleicht doch regierungswilligen Christian Lindner lägen dann durchaus im Bereich des Möglichen. Ohne Merkel, wohlgemerkt.“

Die „Nürnberger Nachrichten“ geben der SPD auch bei einem Bruch der Koalition keine Chance mehr: „Natürlich wird in der SPD der Chor derer nun noch lauter, die den möglichst raschen Ausstieg aus der GroKo fordern oder, wie nun Andrea Nahles, damit drohen. Aber was dann? Die Folge wären Neuwahlen. Wie die ausgehen? Da ist vieles offen, eines aber stünde fest: Die SPD würde sich wohl eher ihrem bayerischen als dem hessischen Wert nähern. Und etwas Besseres als eine Sozialdemokratie, die von sich aus die GroKo platzen lässt, könnte der Union kaum passieren: Sie würde dann im Wahlkampf auf die ach so unzuverlässigen Genossen verweisen und für sich zum Teil fälschlicherweise jene Stabilität reklamieren, die doch gerade die CSU im Sommer massiv gefährdet hat.“

Für die Wiener Zeitung „Der Standard“ ist klar: Andrea Nahles würde am liebsten hinschmeißen wollen: „Die Wählerinnen und Wähler differenzierten also sehr wohl innerhalb der Koalition. Und dort ist die Einschätzung vieler eben so: Die Grünen sind top, die CDU ist Flop. Nach einigen Jahren in Opposition können meist auch Oppositionsparteien bei der Wahl profitieren. Der SPD, die ohnehin noch mit dem Bayern-Trauma zu kämpfen hat, ist in Hessen nicht einmal das gelungen. Andrea Nahles ist die elfte Person an der Spitze seit 2000, seit also Merkel die CDU führt. Vermutlich wird sie nach dieser Wahl alles hinschmeißen wollen. Das ist verständlich, bringt aber nicht die Lösung des SPD-Dilemmas. Denn bei den Sozialdemokraten kann der ständige Austausch von Köpfen nicht die inhaltliche Schwäche kaschieren. Sie müssen endlich klären, wofür sie inhaltlich stehen.“

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